Kreis Lippe/OWL. „Die Innenstadt ist das Wohnzimmer einer Stadt“ – so formuliert es Christian Schmidt. Der Apotheker aus Detmold und Vorsitzende der dortigen Werbegemeinschaft vertritt den lippischen Handel im Vorstand des Handelsverbands Ostwestfalen-Lippe. Dass der Einzelhandel in den Innenstädten für die Menschen relevant ist und bleibt, davon ist er überzeugt. Dies könne jedoch nur durch attraktive Vielfalt in Verbindung mit Gastronomie und Kulturangeboten funktionieren.

Der große Vorteil einer Innenstadt sei es, das Einkaufen dort zu einem Erlebnis zu machen. Das Zentrum einer Stadt müsse wieder als sozialer Treffpunkt begriffen werden, in dem Menschen zusammenkommen. „Ich kann beispielsweise auf dem Wochenmarkt einkaufen, beim Bummeln durch die Stadt ein Eis essen und nebenbei vielleicht noch Freunde treffen.  Das alles kann Online-Shopping nicht ermöglichen.“

Dennoch sei in den vergangenen Jahren ein Trend zum Online-Handel nicht zu leugnen. „Durch onlinebedingten Frequenz- und Umsatzverlust in unseren lippischen Innenstädten kommt es zu einer weiteren Zunahme von Geschäftsaufgaben und Leerständen. Diese sind vereinzelt auch schon deutlich erkennbar“, sagt Schmidt. Der zunehmende Online-Anteil bedeute damit auch ein Verlust an Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Aber: Der stationäre Einzelhandel und die kleineren lippischen Städte haben auch gute Perspektiven, betont der Werbegemeinschafts-Chef.

Kleinstädte mit persönlichem Flair haben einen Vorteil gegenüber den Großstädten

„In Zeiten zunehmender Anonymität, Vereinsamung und Kommunikation über die reine Technik haben wir als inhabergeführter Einzelhandel die Chance, mit unserem persönlichen Kontakt zu den Kunden unsere Stärken auszuspielen.“ Hier hätten kleinere Einkaufsstädte in Lippe, wo man sich häufig sogar persönlich kennt, gegenüber den anonymen Großstädten und dem Internet deutliche Vorteile. „Viele Kunden handeln deshalb schon jetzt nach dem Motto: ,Hier lebe ich, hier kaufe ich ein‘, und tragen damit schon heute zum langfristigen Erhalt ihrer jeweiligen Einkaufssituation vor Ort bei.“

„Es bedarf zukünftig größerer Anstrengungen als in der Vergangenheit, vitale Innenstädte zu erhalten. Das ist kein Selbstläufer!“ Christian Schmidt

Um dem Trend zum Online-Handel entgegenzuwirken, müssten die Städte einen attraktiven Angebots-Mix aus Handel, Gastronomie und Kulturangeboten schaffen. Dadurch könne die Aufenthaltsqualität gesteigert und zeitgleich die Verweildauer in den Innenstädten erhöht werden. Um dies sicherzustellen seien Kunden, Handel, Politik und Verwaltung gemeinsam in der Verantwortung. „Es bedarf zukünftig größerer Anstrengungen als in der Vergangenheit, vitale Innenstädte zu erhalten. Das ist kein Selbstläufer!“ Den Menschen Lebensqualität zu bieten, werde zukünftig ohne zusätzlichen personellen und finanziellen Einsatz der Kommunen nicht möglich sein. Dieser Einsatz werde durch gesicherte Gewerbesteuereinnahmen in der eigenen Kommune belohnt.

Junge Käufer über den Aspekt Nachhaltigkeit erreichen

Das Interesse an einer lebendigen Innenstadt sei bei den Menschen nach wie vor groß: „Wir sehen das in Detmold zum Beispiel an Wochenmarkt-Tagen. Dann ist die Stadt sehr gut besucht“, sagt Schmidt. Im Übrigen kaufe die breite Masse in den Zentren ein, alle Altersschichten seien vertreten. „Das Ziel muss sein, dass wir durch passende Angebote den Bedarf eines jeden abdecken können.“ Vor allem die jüngere Generation könne durch den Aspekt der Nachhaltigkeit angesprochen werden. In einem Ladenlokal in der Innenstadt können Produkte direkt angefasst und ausprobiert werden. „Beim Online-Shopping wird zum Beispiel der gleiche Pullover in drei verschiedenen Größen bestellt und die, die nicht passen, anschließend wieder zurückgeschickt.“

Für den Detmolder Werbegemeinschafts-Vorsitzenden wird der Dialog zwischen den lippischen Kommunen wichtiger – zum Beispiel, um anstehende Termine wie verkaufsoffene Sonntage frühzeitig untereinander zu kommunizieren. „Es soll keine Konkurrenz um Kunden geben.“

Mehr zum Einzelhandel in OWL

  • Der Handelsverband Ostwestfalen-Lippe ist eine Interessenvertretung für die Händler, „das Sprachrohr des Handels in Richtung Politik“, beschreibt Schmidt. Als ländliche Region gehe es unter anderem darum, dass OWL buchstäblich nicht abgehängt wird. „Wir setzen uns zum Beispiel für eine gute Erreichbarkeit der Innenstädte ein. Sei es durch einen guten ÖPNV oder durch Parkmöglichkeiten in Innenstadtnähe“, erläutert Christian Schmidt.
  • Der Einzelhandel in OWL kämpft laut der jüngsten Jahresbilanz des Handelsverband OWL weiterhin mit Problemen. In seinem Bericht bezeichnet der Verband 2023 als ein schwaches Jahr. Obwohl die Umsätze um 3,9 Prozent anstiegen, fraß die Inflation von dem Anstieg vieles auf. Unter dem Strich bleibt sogar ein Minus von 1,9 Prozent. Alle ostwestfälischen Einzelhändler machten einen Umsatz von 11,5 Milliarden.
  • Das größte Minus verzeichnen Bielefeld mit 3,9 Prozent beziehungsweise 86 Millionen Euro. In Lippe spülte der Konsum immerhin 1,6 Milliarden Euro in die Kassen, trotzdem ist das ein Minus von 3,1 Prozent. Im Kreis Herford gingen die Umsätze um 1,5 Prozent zurück. Minden-Lübbecke, Gütersloh und Höxter verzeichnen ein Minus von 0,8 bzw. 0,9 Prozent. Höxter lockte aufgrund der Landesgartenschau viele Besucher und somit auch Kunden an. Übrigens: Die höchste Pro-Kopf-Kaufkraft gibt es im Kreis Gütersloh.
  • Insgesamt gesehen erwirtschaftet der Handel in NRW laut Homepage des Handelsverbandes rund 100 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr und ist damit der drittstärkste Wirtschaftszweig zwischen Rhein und Weser. Ein Viertel des bundesdeutschen Umsatzes im Handel wird in NRW umgesetzt.

Zahlen aus dem Online-Handel

  • Erstaunlicherweise entfallen weiterhin 85 Prozent der Umsätze auf den stationären Einzelhandel. Und der Online-Handel büßte außerdem 3,9 Prozent Umsatz in 2023 ein.
  • Im Bereich des Online-Handels ist Amazon der marktbeherrschende Akteur und baut seine Vormachtstellung Experten zufolge weiter aus. Amazon streicht 60 Prozent des Umsatzes des Online-Handels für sich ein.
  • Hinter Amazon folgen nach Branchenangaben Zalando und die Otto-Gruppe. Außerdem legte Kaufland ordentlich zu.