Tagsüber kreisen schon die Gedanken, und wenn man abends im Bett liegt, geht gar nichts mehr: Anstatt zu schlafen, dreht sich das Gedankenkarussell. Hier ist die geistige Gesundheit – auf Englisch: Mental Health – angriffen. Über dieses Thema spricht Mental Trainerin Carla von Herff am kommenden Sonntag, 16. März, um 13.15 Uhr auf der my job OWL im Messezentrum in Bad Salzuflen. Sie erklärt, wie man sich – egal ob Führungskraft oder Mitarbeiter – mental fit und gesund hält.

Frau von Herff, was versteht man allgemein unter Mental Health?

Carla von Herff: Die WHO, die Welt-Gesundheits-Organisation, definiert Mental Health als „Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten kann und imstande ist, etwas zur Gemeinschaft beizutragen.“ Auf die Arbeitswelt bezogen heißt es: Wenn ich mental gesund bin, kann ich leistungsfähig und produktiv sein – und ich kann mich selbst verwirklichen. Das gehört immer dazu. Es geht ja nicht nur darum, alles für den Arbeitgeber zu tun, sondern auch darum, Energie zu haben und für sich einzustehen und seine Themen voranzutreiben.

Also ein wichtiges Thema?

Von Herff: Ja, die mentale Gesundheit ist gleichsam die Grundlage für alles. Und, wenn Sie mich fragen, ist die mentale Gesundheit auch wichtiger als die körperliche. Wenn ich mal eine Zeit lang nicht fit bin, hat das nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die Psyche. Aber wenn ich mental nicht gesund bin, wirkt das sowohl auf meinen Körper als auch auf alles andere. 

Gefahren für die Mental Health sind vielfältig: Ukrainekrieg, Klimawandel, Wirtschaftskrise, drohende Arbeitslosigkeit. Die Liste lässt sich fortsetzen. Das kann schnell übermächtig erscheinen, oder?

Von Herff: Ja, natürlich. Aber man muss da unterscheiden. Was Sie aufzählen, sind ja Dinge, die von außen kommen, die ich jetzt gerade in diesem Moment gar nicht ändern kann. Egal was kommt, die Frage ist immer: Wie bin ich innerlich aufgestellt, und habe ich die Möglichkeit, das für mich einzuordnen und entsprechend zu reagieren? Das hat viel mit der eigenen Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft des Geistes, zu tun. Je resilienter ich bin, desto eher steh’ ich eben wieder auf, und desto eher bin ich wieder im Normalzustand.

Natürlich tangieren mich Dinge, die von außen kommen. Aber, was ich nicht ändern kann – z.B. das politische Weltgeschehen – da darf ich mich schon fragen: Wie viel gebe ich da rein von meiner Energie? Es geht nicht darum, dass es mir egal ist, sondern dass ich genau filtere, wie viel ich an mich heranlasse. Wenn ich merke, es beeinträchtigt mich zu sehr, dann gucke ich halt mal keine Nachrichten. Jeder hat letzten Endes selbst die Verantwortung für sich, seine Gesundheit und sein mentales Wohlbefinden. 

Und wie ist es mit Dingen aus dem direkten Umfeld oder bei der Arbeit?

Von Herff: Auch das kommt ja erst mal von außen. Zum Beispiel, wenn mich jemand kritisiert oder ein schlechtes Feedback gibt. Aber auch da stellt sich die Frage, wie viel mentale Stärke habe ich, damit umgehen zu können? Breche ich zusammen, wenn ich kritisiert werde, oder sag ich mir, okay, ich nehme das an, und dann geht’s weiter!

Das heißt, es geht um Selbstbewusstsein?

Von Herff: Ja. Man sagt, die mentale Gesundheit oder auch die Resilienzfähigkeit ist im Grunde das Immunsystem der Seele. Und das gilt es zu stärken.

Wie kann ich das machen?

Von Herff: Man schaut oft ungern bei sich selbst, sondern lieber nach außen und zeigt dann mit dem Finger auf andere. Da sage ich immer: Egal, was Du jetzt sagst und egal, was im Außen ist, dreh den Finger einfach um. Fang bei dir an, denn da ist die Lösung. Das Außen kannst Du meist nicht ändern. Was Du aber immer ändern kannst, das ist deine Denkweise, dein Mindset, das bist Du selbst. Egal, ob in der Partnerschaft oder bei der Arbeit.

Es ist also wichtig, die eigene Energie im Blick zu behalten. Könnten Sie das erläutern?

Von Herff: Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass unsere Tagesenergie endlich ist. Achten Sie darauf, wofür Sie Ihre Energien verwenden – oder gar verschwenden. Lohnt es sich, dass ich mich über vermeintliche Kleinigkeiten wie eine rote Ampel sehr aufrege, oder bin ich vielleicht schon morgens auf einem hohen Frustlevel, und mittags sind meine Energiespeicher schon leer? In diesen Momenten muss man rational entscheiden: Ist es mir das wert? Und die Antwort ist in 99,9 Prozent der Fälle: Nein! 

Damit man Stress verhindert oder wenigstens reduziert?

Von Herff: Stress ist nicht automatisch schlecht. Er wird erst dann problematisch, wenn er länger oder gar dauerhaft auf einem hohen Level bleibt. Regeneration ist hier ein wichtiges Thema. Ich muss lernen, bewusste Pausen zu machen. Außerdem hilft positives Denken: Bin ich sehr problemorientiert oder eher lösungsorientiert? Daran kann man arbeiten. Und man soll sich Zeit für sich nehmen, „Me Time“, das ist auch ein unterschätztes Thema, sich und seine eigenen Bedürfnisse zu kennen und in den Mittelpunkt zu rücken. 

Auf der my job sprechen Sie vor allem über Mental Overthinking, das auch zur Mental-Health-Problematik gehört. Was ist darunter zu verstehen?

Von Herff: Damit ist ein übermäßiges Nachdenken gemeint über Themen, die vornehmlich in der Zukunft oder der Vergangenheit liegen. Wenn ich „overthinke“ bin ich also nicht im Hier und Jetzt. Man fragt sich, was wäre wenn, oder wie war es beim letzten Mal, als etwas schiefgelaufen ist? Ich befinde mich dann irgendwann in einem Gedankenkarussell. Aber auf dieser Fahrt gibt es keine Lösung. 

Wie kann man das Karussell stoppen und aussteigen?

Von Herff: Das ist gar nicht so leicht. Overthinking ist ein Resultat aus meinen Ängsten oder meiner eigenen Unsicherheit. Es gibt beispielsweise die Technik des Gedankenstopps, oder man kann Gedanken in Schubladen stecken. Das hört sich komisch an, aber man kann das üben. Voraussetzung ist, dass ich überlegt habe, woher mein Overthinking kommt. Ich muss das Ding an der Wurzel packen. Da schließt sich der Kreis, und ich bin wieder bei meiner mentalen Gesundheit und der mentalen Stärkeentwicklung.

Es bleibt also dabei: Ich muss vor allem selbst an mir arbeiten?

Von Herff: Ja. Und das geht in dem Dreiklang aus Erkennen, Verstehen, Verändern. Ich muss zunächst erkennen, dass ich ein Thema oder Problem habe. Dann muss ich verstehen, woher es kommt. Der weitaus größte Punkt ist dann die Veränderung. Das ist das Schwierige. Da gibt es keine Patentlösung und auch keine einfachen Tools. Man muss sich wirklich mit sich selbst beschäftigen. Das ist vielleicht nicht immer schön, aber was danach folgt, das kann eben umso schöner sein!

 

Persönlich

Carla von Herff ist Mental Trainerin, Beraterin, Health- & Leader-Coach aus Bielefeld. Die 43-Jährige arbeitet sowohl für Unternehmen als auch mit Privatklienten an den Themen mentale & körperliche Gesundheit, Stressmanagement und Resilienz. Durch ihre langjährige Führungsverantwortung und mehr als 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Positionen in Unternehmen hat die Expertin für Mentalstrategien sowohl die interne Sicht als auch die Perspektive von außen immer im Blick. Ihr sind eine profunde Beratung und Wissensvermittlung genauso wichtig wie die Möglichkeit, direkt ins Geschehen einzusteigen. Sie unterstützt ihre Klienten individuell dabei, die richtigen Gesundheitsangebote auch zu finden. Eine Methode sind dabei sogenannte Mental Gyms, also quasi Trainingslager für die mentale Gesundheit, inklusive Mental Check-up und Tipps und Hacks für den Arbeitsalltag. Carla von Herff bietet dazu auch Seminare und Workshops an und tritt als Speakerin auf.