Bielefeld . Denn abseits sicherheitspolitischer Aspekte sind die Vereinigten Staaten einer der wichtigsten Außenhandelspartner. Wie sich die Zukunft der transatlantischen Beziehung entwickeln kann, haben Experten und Unternehmer beim 30. Außenwirtschaftsforum der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) beleuchtet.

IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker erklärte zum Auftakt der Veranstaltung vor rund 150 Zuhörern: „Die USA und Deutschland stehen für eine gute, jahrzehntelange, wirtschaftliche und unternehmerische Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Doch auch dieses starke, transatlantische Bündnis verlässlicher Wirtschaftspartner ist nicht gefeit vor international wachsendem Protektionismus.“

Mit dem Ausgang der US-Präsidentschaftswahl am 5. November seien viele Fragen verbunden: „Wie wird sich das Ergebnis auf die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen auswirken? Müssen sich unsere Unternehmen auf neue Handelshemmnisse einstellen?“ Wahl-Schwentker konstatiert: „Auch wenn sich die transatlantischen Beziehungen in den vergangenen Jahren von der durch Handelskonflikte geprägten Zeit unter Präsident Trump erholt haben, sind diese nie endgültig beigelegt worden.“ Liberalisierung und Globalisierung des Handels werde in den USA inzwischen kritisch gesehen, genau wie die Rolle der Welthandelsorganisation WTO.

Tendenzen zum Protektionismus bürgen Gefahren für die Wirtschaft in Ostwestfalen

Der Trend zur Rückkehr zuvor in andere Länder ausgelagerter Prozesse und zum Protektionismus bestehe weiterhin. Für die deutsche und ostwestfälische Wirtschaft berge das Risiken. Die USA als größte Volkswirtschaft der Welt sind für die Unternehmen in NRW der drittwichtigste Export- und Importmarkt. Allein in Ostwestfalen unterhalten rund 600 Unternehmen Handelsbeziehungen mit den USA , darunter 150 mit eigenen Niederlassungen oder Produktionsstätten vor Ort.

Armin Laschet, früherer NRW-Ministerpräsident und aktuell als Bundestagsabgeordneter auch Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, bezeichnete in seinem Vortrag den Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA als völlig offen. „Deshalb müssen wir uns in Europa auf beide Szenarien einstellen und auf einen harten Wettbewerb.“ Die Unterschiede zwischen Trump und Harris könnten größer kaum sein, bei der Einstellung zum Freihandel seien sie sich relativ nahe.

„Trump denkt in Deals.“ Armin Laschet

Trump habe Deutschland in seiner ersten Amtszeit vorgeworfen, billigeres russisches Gas dem teureren US-Frackinggas vorzuziehen und zugleich das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben nicht zu erreichen, sondern die USA für die eigene Sicherheit mitbezahlen zu lassen. Diese beiden Kritikpunkte seien infolge des russischen Ukraine-Krieges obsolet. Die US-Rüstungsindustrie profitiere vielmehr überproportional vom 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr.

„Trump denkt in Deals“, sagt Laschet. „Wird er Präsident, wird er dem europäischen Teil der Nato mehr abverlangen.“ Aber auch eine Präsidentin Harris werde Deutschland und Europa in die Pflicht nehmen. „Wir müssen unseren Teil leisten“, sagt Laschet. „Wichtig ist, dass Europa mit einer Stimme spricht, in Wirtschaftsfragen und in der Außenpolitik. Ich sehe die Chance auf einen Neubeginn in den Beziehungen auch, weil die neue EU-Kommission und der neue US-Präsident oder die neue US-Präsidentin fast zeitgleich ins Amt kommen“, sagt Laschet. Für mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit seien Deutschland und Europa auf weitere Freihandelsabkommen angewiesen. Es sei notwendig, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer zweiten Amtszeit die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärker in den Blick nimmt, so Laschet.

Daniel Andrich, Geschäftsführer der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, bekräftigte, sowohl Trump als auch Harris strebten eine Stärkung und Reindustrialisierung der US-Wirtschaft an. Trump stehe für niedrigere Steuern und Strafzölle, Harris für unbürokratische Steuergutschriften für Investitionen, die an Klimaschutz- und arbeitsmarktpolitische Aspekte geknüpft seien.

Beim Klimaschutz klafft die Schere zwischen USA und Europa weit auseinander

Brandon Bohrn, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung, sprach von einem „Spagat zwischen Protektionismus, Bürokratieabbau und Klimaschutz“. Bohrn erläuterte, dass es nach der „America First“-Politik von Trump auch unter dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden Protektionismus durch milliardenschwere Subventionsprogramme gebe. Die Reaktion der EU darauf sei der Green Deal Industrial Plan. In Sachen Klimaschutz gebe es zwischen den transatlantischen Partnern aber große Unterschiede.

US-Aktivitäten können auch positive Effekte für Unternehmensstandorte in Deutschland haben

Susanne Gellert, Geschäftsführerin der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York, berichtete über die Stimmung deutscher Unternehmen in den USA. Sie seien mit rund 925.000 Arbeitsplätzen der drittgrößte ausländische Arbeitgeber und hätten ihre jährlichen Direktinvestitionen in den USA in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Bemerkenswert: Jeweils fast 40 Prozent der befragten Unternehmen sagen, dass ihre US-Aktivitäten für wachsende Beschäftigung, Produktion sowie Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten an ihren deutschen Standorten sorgten. Von negativen Effekten diesbezüglich spricht indes nicht einmal jedes 14. Unternehmen.

Michael Harre leitet die Geschäfte der Maschinenbauers Kannegiesser. Das Unternehmen mit Stammsitz in Vlotho hat sich auf das gesamte Produktprogramm an industrieller Wäschereitechnik spezialisiert und unterhält einen Produktionsstandort in Minneapolis. Foto: Kannegiesser

Unternehmenslenker aus Ostwestfalen erkennen im US-Markt Wachstumschancen

In der abschließenden Diskussionsrunde sprachen auch Vertreter dreier namhafter ostwestfälischer Unternehmen über Erfahrungen und Perspektiven im US-Geschäft: Michael Harre (Geschäftsführer der Herbert Kannegiesser GmbH in Vlotho ), Christian Nüßer (Geschäftsführender Gesellschafter der Venjakob Maschinenbau GmbH in Rheda-Wiedenbrück) sowie Dr. Reinhard Zinkann (Geschäftsführender Gesellschafter der Miele & Cie. KG in Gütersloh). Sie sehen allesamt weiteres Wachstumspotenzial in den USA – unabhängig vom Wahlausgang lohne es sich, dort weiter zu investieren. Herausfordernd sei aber auch in den USA das Gewinnen und Halten von Fachkräften. Wichtig sei, sich auf die US-Mentalität einzulassen. Zinkann bemängelte die fehlende Bereitschaft vieler Nachwuchskräfte in Deutschland, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten.