Minden . Joseph Swan entwickelte die erste alltagstaugliche Glühlampe, Werner Siemens tüftelte an den ersten Modellen einer elektrischen Lokomotive, Paul Hartmann erfand den sterilen Wundverband und in Rehme startete der Schlosser Fritz Fricke mit der Produktion von Dezimalwaagen.

Es ist nur eine kleine Randnotiz in der Technikgeschichte – doch hatte der Urgroßvater des heutigen Unternehmensinhabers Bernd Fricke einen gewissen Einfluss auf die Region. Seine Waagen sorgten dafür, dass der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten für Produzenten und Käufer gerechter wurde.

Die Produktion und der Verkauf der Dezimalwaagen liefen gut und bescherten dem kleinen Familienunternehmen ein gutes Auskommen. Dann trat Werner Fricke in das Unternehmen ein und erweiterte ab Mitte der 1960er Jahre das Angebot um Absackwaagen für Schüttgut, vornehmlich für Kohlen und Briketts. Eigentlich eine gute Idee, doch leider zu spät.

Denn der Fortschritt in der Halbleitertechnik führte dazu, dass mechanische Waagen einfach nicht mehr nachgefragt wurden. „Quasi von einen Tag auf den anderen wurde dem Unternehmen die Grundlage entzogen“, schildert Bernd Fricke die Stunde null des Unternehmens und ergänzt: „Der Fortschritt kennt nicht nur Gewinner.“

Viele Jahrzehnte stellte FRICKE im Bad Oeynhausener Stadtteil Rehme Dezimal- und Absackwaagen her. Foto: FRICKE Abfülltechnik
Viele Jahrzehnte stellte FRICKE im Bad Oeynhausener Stadtteil Rehme Dezimal- und Absackwaagen her. Foto: FRICKE Abfülltechnik

Einfach den Schlüssel umdrehen, das kam für das Unternehmerpaar Fricke nicht infrage. Vielmehr suchten sie mit Hochdruck einen Weg aus der Krise, bewiesen das richtige Gespür für einen wachsenden Nischenmarkt für Abfüllmaschinen. „Meine Eltern hatten zwei Jahre lang kein Einkommen und nur Kosten“, weiß Bernd Fricke. Zum Glück war das Unternehmen in den Jahrzehnten zuvor so erfolgreich, dass ein finanzielles Polster die schwere Zeit etwas abmildern konnte.

„Meine Eltern hatten zwei Jahre lang kein Einkommen und nur Kosten.“ Bernd Fricke

Mit dem Wandel vom Wiegen zum Abfüllen kehrte auch der Erfolg zurück: Farben- und Lackhersteller vertrauten schon ab 1967 auf die FRICKE-Entwicklungen. 1980 erreichte das Unternehmen den nächsten Meilenstein: Es war an der Entwicklung und dem Bau einer Dosieranlage beteiligt, die aufgrund ihrer Genauigkeit, Vielseitigkeit und Technik in der Parfüm- und Aromenindustrie Maßstäbe setzte. Von nun an waren FRICKE-Anlagen in der ganzen Welt gefragt, stehen auf allen Kontinenten und machten die kleine Schlosserei von einst zum Weltmarktführer für Dosierungen in der Parfüm- und Aromenindustrie.

Mit einer Vision enteilt FRICKE Abfülltechnik der Konkurrenz

„Das Bein in einen neuen Markt zu bekommen, ist unglaublich schwierig“, weiß Bernd Fricke alleine schon aus der Geschichte des Unternehmens, an dessen Spitze er nun steht. Innovation ist trotzdem der Treiber für den Unternehmenserfolg.

Fricke-Anlagen genossen schon vor rund 40 Jahren weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Sich auf dem gut laufenden Geschäft auszuruhen, hätte aber womöglich irgendwann einen Kollaps zur Folge gehabt. Das wollte man bei Fricke unter allen Umständen verhindern.

Die Inhaberfamilie: Brunhild und Werner Fricke mit zwei ihrer Söhne. Foto: Fricke Abfülltechnik

Die Inhaberfamilie: Brunhild und Werner Fricke mit zwei ihrer Söhne. Foto: FRICKE Abfülltechnik

Nicht noch einmal wollte man vom technischen Fortschritt überholt werden. „Also setzten wir schon vor rund 40 Jahren auf das Thema Digitalisierung“, beschreibt Bernd Fricke die visionäre Idee seines Vaters. Während also Tim Berners-Lee an den Grundlagen des World Wide Web forschte, stattete Fricke seine Dosieranlagen mit der selbst entwickelten Software aus.

„Damit waren wir die ersten und das hat uns gegenüber der Konkurrenz einen entscheidenden Vorsprung verschafft“, erzählt Bernd Fricke nicht ohne Stolz. Mitte der 1990er Jahre entwickelte Fricke außerdem die auf seine Kunden zugeschnittene Software zur Optimierung der Produktionsprozesse. Bei Fricke arbeiten inzwischen mehr Software-Entwickler als Maschinenbau-Ingenieure.

Präzision aus Minden-Meißen: Diese FRICKE-Multiplex® Anlage ist die bisher größte von FRICKE gebaute und steht im Hauptwerk von Silesia, einem Global Player der Aromenindustrie. Foto: FRICKE Abfülltechnik
Präzision aus Minden-Meißen: Diese FRICKE-Multiplex® Anlage ist die bisher größte von FRICKE gebaute und steht im Hauptwerk von Silesia, einem Global Player der Aromenindustrie. Foto: FRICKE Abfülltechnik

„Wir kennen die Abläufe so genau, dass wir anhand weniger Kennzahlen dem Kunden schon eine recht finale Voraussage treffen können, welche Anlage mit welchen Umfängen und welchen Systemen für ihn den größten Mehrwert hat“, erläutert Bernd Fricke, warum die namhaftesten Unternehmen auf die Anlagen „made in Minden“ zurückgreifen.

Die neueste Ende-zu-Ende gedachte Anlage ist die FRICKE-Multiplex®. Hier vereint FRICKE sowohl das Dosieren von bis zu 1.000 Stoffen und 20.000 Dosiervorgängen innerhalb von 24 Stunden und den Abfüllvorgang. „Die Multiplex kann vom Eingang der Rohstoffe bis zur Bereitstellung der fertigen Gebinde für den Abtransport alle Schritte leisten“, erklärt Bernd Fricke. Übrigens: Weltweit sind aktuell mehr als 1.000 Abfüllanlagen und mehr als 500 Dosieranlagen im Einsatz.

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