Porta Westfalica . André Meyer zählt nicht zu jenen Marschall-Mitarbeitern, die schon 15 oder mehr Jahre bei dem Etiketten-Spezialisten verbracht haben. Trotzdem ist er schon nach kurzer Zeit im Unternehmen zum Geschäftsführer aufgestiegen. Im Interview zeichnet Meyer seinen Weg in die Unternehmensleitung nach und blickt auf die kommenden Jahre.

Herr Meyer, auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Sie bei der Marschall GmbH & Co. KG einen steilen Aufstieg hingelegt haben.

André Meyer: Vielleicht von außen betrachtet. Die Inhaber hatten sich ja schon Gedanken über die Nachfolge gemacht. Ich habe mitbekommen, dass ein Nachfolger gesucht und aufgebaut werden soll. Und in diesem Zusammenhang habe ich Kontakt zu den Inhabern aufgenommen und habe dann die Stelle als Betriebsleiter übernommen. Der Schritt vor etwas mehr als einem Jahr zum Geschäftsführer war zwar auch nicht selbstverständlich, aber in gewisser Hinsicht geplant. Hätte ich mit meiner Arbeit nicht überzeugt, wären wir diesen Schritt auch nicht gegangen.

Bestand zu dem Unternehmen schon vor dem Telefonat eine Beziehung?

Meine Eltern und die Inhaber kennen sich. Zu meiner Schulzeit fragte mich Martina Sellmann, ob ich mir nicht etwas zum Taschengeld dazu verdienen möchte. Zweimal in der Woche bin ich dann mit dem Roller von Unterlübbe hierhergefahren und habe Etiketten auf Rollen gespult, also konfektioniert. Später habe ich im Rahmen meines berufsbegleitenden Studiums ein Praktikum im kaufmännischen Bereich bei Marschall absolviert.

Man kommt nicht wieder, wenn die mit dem Unternehmen verbundenen Erinnerungen nicht gut gewesen wären.

Das ist richtig. Es war eine gute Zeit und es gibt auch die eine oder andere Anekdote. Zum Beispiel habe ich mir neben der Maschine eine kleine Stereoanlage aufgebaut. Weil die Maschine doch recht laut war, habe ich mir dann Ohrenschützer aufgesetzt. Dummerweise hört man die Musik dann aber auch nicht mehr. Und so musste ich die Musik ziemlich stark aufdrehen. Einmal kam Martina Sellmann abends nochmal runter und schimpfte, dass von der lauten Musik in der Wohnung über dem Betrieb die Wände wackeln.

Warum sind sie nicht im Unternehmen geblieben und haben eine Ausbildung gemacht?

Mit Beginn des Zivildienstes 1999 habe ich aufgehört und irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren. Nach dem Zivildienst habe ich meine Ausbildung zum Industriemechaniker bei ABB in Minden gemacht. 2011 habe ich dann das eben schon erwähnte berufsbegleitende Studium zum Wirtschaftsingenieur aufgenommen, weil mich neben technischen Dingen auch der wirtschaftliche Bereich gereizt hat.

Berufsbegleitend zu studieren, bedeutet einen enormen Aufwand.

Es war zwar eine harte Zeit, trotzdem hat es Spaß gemacht und das technische Wissen aus Ausbildung und Beruf war sehr hilfreich. Ich würde es auf jeden Fall wieder so machen. Der Aufwand hat sich gelohnt, weil ich durch den Abschluss natürlich auch beruflich aufgestiegen bin.

Wo haben Sie denn nach dem Studium gearbeitet?

Über die Ingenieurgesellschaft Ferchau bin ich als Konstruktionsingenieur zur Firma Stükerjürgen gekommen, die unter anderem Kunststoffprodukte, Verfahren und Dienstleistungen für die Luftfahrtindustrie anbietet. Durch Corona herrschte jedoch in der Luftfahrtbranche eine große Ungewissheit. Der Standort in Lage, an dem ich beschäftigt war, wurde letzten Endes geschlossen. Auch wenn alle Mitarbeiter aus Lage ins Hauptwerk nach Rietberg übernommen wurden, war meine Situation mit Kurzarbeit und befristetem Vertrag unsicher. Zumal bei mir Hochzeit, Nachwuchs und Hausbau geplant waren. Zum Glück kam dann der zufällige Kontakt zum Ehepaar Sellmann wieder zu Stande.

Das Unternehmen Marschall steht sehr gut da. Trotzdem war der Einstieg bestimmt auch berufliches Neuland.

Ganz sicher. Friedel Sellmann prägte mal den schönen Satz: ‚Geklebt wird immer.‘ Aber ich habe ich mir schon die Frage gestellt, ob ich den beruflichen Restart wagen soll oder nicht. Es war ein riesiger, aber auch genau der richtige Schritt.

Ich musste alles von der Pike auf lernen.“ André Meyer

Wie verlief der Start in der neuen Branche?

Das erste Jahr halbe Jahr war sehr hart. Ich musste alles von der Pike auf lernen. Es war also wie eine weitere Ausbildung. Nur eben im Schnellverfahren. Und das dauert bis heute an. Aber ich profitiere fachlich enorm von der mehr als 40-jährigen Erfahrung von Martina und Friedel Sellmann. Nicht zu vernachlässigen ist der Punkt, dass man plötzlich Mitarbeiter führt. Auch das muss man lernen und seinen eigenen Stil entwickeln.

Ist es nicht schwierig, nicht alle Dinge genauso zu machen wie diejenigen, die Ihnen das Unternehmen anvertrauen?

Meine Persönlichkeit und Arbeitsweise unterscheidet sich von der der Familie Sellmann. Ich bin für einen frischen Wind eingestellt worden. So war auch das Anforderungsprofil und die beiden Inhaber lassen den frischen Wind zu. Also schaue ich mir Strukturen sowie Prozesse an und schaue, ob und wie diese optimierbar sind. Ich denke, dieser frische und andere Blickwinkel kann viel Positives bewirken und auf die bislang erfolgreich angewandten Arbeitsprozesse und Strukturen aufbauen. Die Herausforderung wird darin bestehen, das Rad nicht komplett neu zu erfinden, sondern ‚dem Rad neuen Schwung zu geben‘ ohne das Bewährte aus dem Blick zu verlieren.

Sie haben in ihren nun drei Jahren im Unternehmen eng an der Seite der Inhaber gearbeitet. Wie würden Sie das Unternehmen und ihre Rolle knapp zusammenfassen?

Marschall in seiner heutigen Form ist und wird das stetig gewachsene sowie erfolgreiche Lebenswerk der Familie Sellmann bleiben. Nunmehr liegt es an mir, in Kooperation mit der Familie Sellmann, die Erfolgsgeschichte von Marschall fortzuführen.

Hier finden Sie weitere Artikel zum Etiketten-Spezialisten Marschall