Karlsruhe . 2023 war es soweit: Jannik Jungmann aus Löhne in Ostwestfalen und Dr. Carsten Radtke gründeten gemeinsam phabioc, ein Unternehmen für Pharmazie, Biotechnologie, Chemie, Produktrealisierung, Produktentwicklung und Produktmarketing. 2024 gewann das Unternehmen den renommierten Gründerpreis Baden-Württemberg, weil das Unternehmen einen neuen Maßstab in der biopharmazeutischen Forschung setzt. MMM-OWL, das Portal für Wirtschaft in OWL hat mit Jannik Jungmann gesprochen.

Herr Jungmann, könnten Sie zunächst zusammenfassen, was PHABIOC herstellt?

Jannik Jungmann: Die PHABIOC GmbH entwickelt und vertreibt innovative Labor-Verbrauchsartikel an Wissenschaftler und Ingenieure der Pharma- und Biotechindustrie, um die Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Derzeit haben wir Produktmarken: Zum einen PermeaPad. Das ist eine künstliche Barriere-Technologie, die es ermöglicht, die Aufnahme von Medikamenten im Körper vorherzusagen – und das komplett ohne Tierversuche.

Mit Hilfe der PermaPead-Technologie werden Vorhersagen zur Aufnahme von Medikamenten präziser. Foto: PHABIOC

Die zweite Produktmarke ist SpecPlate. Die SpecPlate ist eine Messplatte, die die Effizienz von Standardanalysen steigert und dabei erheblich Plastikmüll einspart.

Die SpecPlate steigert die Effizienz von Standardanalysen. Foto: PHABIOC

Auch an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Gründerpreises Baden-Württemberg. Auch beim Achema-Gründerpreis ist ihr Unternehmen weit vorne gelandet. Spüren Sie schon positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Unternehmens?

Vielen Dank für die Glückwünsche. Das größte Problem für Startups ist die mangelnde Bekanntheit. Solche prestigeträchtigen Preise und Wettbewerbe sind daher wertvoll, weil sie unsere Sichtbarkeit steigern. Allerdings ist unsere Zielgruppe in der Pharma- und Biotechbranche sehr spezifisch. Und hier liegt noch viel Arbeit vor uns, um wirklich sichtbar und als Lösung akzeptiert zu werden.

Springen wir an den Beginn der noch jungen Unternehmensgeschichte. Was war die Inspiration hinter der Gründung von PHABIOC und wie haben Sie und Dr. Carsten Radtke zusammengefunden?

Die Idee zur Gründung von PHABIOC entstand während meiner Tätigkeit bei der InnoMe GmbH in Espelkamp, wo ich meine berufliche Laufbahn begann und zuletzt die Geschäftseinheit Pharma leitete. Diese Abteilung verfolgte genau den Ansatz, den wir mit PHABIOC weiterführen. In dieser Rolle arbeitete ich eng mit Dr. Carsten Radtke zusammen, der damals als Postdoc am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) tätig war und als Erfinder der SpecPlate maßgeblich zu unserem späteren Produkt beigetragen hat. Gemeinsam leiteten wir ein Forschungsprojekt, das die SpecPlate bis zur Vorserienreife brachte. Nach einer strategischen Neuausrichtung bei InnoMe war klar, dass das Potenzial der SpecPlate in einem neuen, fokussierten Umfeld besser genutzt werden könnte. So haben Carsten und ich beschlossen, die SpecPlate als Spin-off auszugliedern und PHABIOC zu gründen.

Jannik Jungmann (links) Dr. Carsten Radtke besprechen ein Vorserienmodell der SpecPlate im Co-Working Space Karlsruhe: Beide fanden über ein Gemeinschaftsprojekt zusammen und gründeten PHABIOC. Foto: PHABIOC

Welche Herausforderungen mussten Sie in der Anfangszeit überwinden? 

Ein zentrales Problem war es, erste Pilotkunden aus der Pharma- und Biotechbranche zu gewinnen, da diese Märkte eher konservativ auf Innovationen reagieren. Zudem erforderte der Aufbau der Serienproduktion für die SpecPlate intensive Zusammenarbeit mit unserem Produktionspartner, die Erwin Quarder Systemtechnik GmbH aus Espelkamp, und die Anpassung der technischen Spezifikationen für eine effiziente Herstellung. Neben diesen operativen Hürden stellte die Finanzierung ebenfalls eine Herausforderung dar, da wir als Startup über begrenzte Mittel verfügen und gleichzeitig eine hohe Produktqualität sicherstellen müssen, um Vertrauen in unsere Innovation zu schaffen.

Die ersten Hürden wurden erfolgreich genommen. Welche Meilensteine wurden bisher erreicht?

Die Serienproduktion der SpecPlate ist etabliert, und im Oktober dieses Jahres, also 2024, belieferten wir erste Kunden. Außerdem haben wir an Weltleitmessen wie der Analytica in München und der ACHEMA teilgenommen, um unsere Sichtbarkeit in der Branche weiter zu steigern und wertvolle Kontakte zu knüpfen.

Teamfoto von PHABIOC im Labor vom MAB (KIT). Foto: KIT

Wie unterscheidet sich PHABIOC von seinen Mitbewerbern, falls es welche gibt?

PHABIOC hebt sich von Mitbewerbern durch patentgeschützte Technologien wie die SpecPlate und PermeaPad ab. Dieser Patent- und Technologievorteil gibt uns einen klaren Vorsprung in Effizienz, Nachhaltigkeit und Präzision.

Welche Branchen profitieren am meisten von ihren Entwicklungen?

Am meisten profitieren die Pharma- und die Biotechbranche von unseren Entwicklungen. In der Pharmaindustrie erleichtert PermeaPad die Vorhersage der Medikamentenaufnahme und reduziert den Bedarf an Tierversuchen. Die Biotechbranche und Laboratorien wiederum profitieren stark von SpecPlate, da diese Messplatte die Effizienz und Präzision bei Standardanalysen erhöht und gleichzeitig den Plastikverbrauch erheblich senkt.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Marktes für Ihr Unternehmen?

Wir sehen eine sehr positive Entwicklung des Marktes. In der Pharma- und Biotechbranche steigt der Bedarf an effizienten, präzisen und nachhaltigen Lösungen stetig. Trends wie Automatisierung, Miniaturisierung und die Reduzierung von Tierversuchen fördern die Nachfrage nach innovativen Technologien wie unseren. Wir erwarten, dass unsere Produkte – PermeaPad und SpecPlate – eine kleine, aber wichtige Rolle in der Weiterentwicklung der Branche spielen werden und den wachsenden Anforderungen gerecht werden.

Auf diesem Bild wird der Nachhaltigkeitsaspekt deutlich sichtbar: Kunden benötigen anstelle von Standardplatten (4 Kartons rechts; 160 Platten) nur einen Karton SpecPlate (links; 40 Platten) und erzielen außerdem bessere Ergebnisse. Foto: PHABIOC

Viele gute Ideen verschwinden in der Schublade. Was hat dazu geführt, dass Ihre Idee Realität geworden ist?

Es gibt viele Gründe, sich gegen die Selbstständigkeit zu entscheiden – insbesondere, wenn man Hardwareprodukte entwickelt, die hohe Anfangsinvestitionen erfordern, bevor überhaupt ein marktreifes Produkt existiert. Doch wenn man an seine Idee glaubt und bereit ist, gewisse Risiken einzugehen, findet man Wege, diese Vision Realität werden zu lassen. Wir von PHABIOC sehen genau darin aber auch ein großes Potenzial: Wir wollen Ideen, die sonst in der Schublade verschwinden würden, finden und zum Leben erwecken. Die Tatsache, dass wir jetzt ein weiteres Serienprodukt mit der SpecPlate in Händen halten, das wir seit 2019 entwickeln, erfüllt uns mit großem Stolz und bestätigt unseren Weg.

Welche Strategie verfolgen Sie, um nachhaltig zu wachsen? Und welche Bedeutung hat dabei die Kooperation mit der Uni Karlsruhe?

Unsere Wachstumsstrategie basiert auf einer nachhaltigen und organischen Entwicklung. Mit der Erwin Quarder Systemtechnik GmbH als strategischem Investor an unserer Seite konnten wir die Serienproduktion unserer Produkte sicherstellen. Jetzt liegt unser Fokus darauf, mit diesen Produkten profitabel zu werden. Durch kontinuierliche Forschungsprojekte wollen wir weitere Produktideen entwickeln und später am Markt etablieren. Die Zusammenarbeit mit dem KIT, insbesondere dem Institut für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten (MAB), ist dabei entscheidend. Sie bietet uns Zugang zu einem voll ausgestatteten Labor und qualifizierten Werkstudenten, die unser Team verstärken und zur Weiterentwicklung unserer Technologien beitragen.

„Durch kontinuierliche Forschungsprojekte wollen wir weitere Produktideen entwickeln und später am Markt etablieren.“ Jannik Jungmann

Jannik Jungmann stammt aus löhne in Ostwestfalen. Aus privaten Gründen und durch die Gründung von PHABIOC lebt er mittlerweile im Südwesten von Deutschland. Foto: PHABIOC

Wie beeinflusst die von Ihnen entwickelte Technologie aktuelle Marktstrukturen und welche Auswirkungen könnte diese Technologie haben?

Die Technologie PermeaPad ist speziell auf wissenschaftliche Anwendungen ausgelegt und könnte in Zukunft eine bedeutende Rolle bei der Zulassung neuer Wirkstoffe spielen. Dafür sind allerdings noch zahlreiche Studien in Zusammenarbeit mit Kunden erforderlich, um PermeaPad langfristig in die Zulassungsvorschriften zu integrieren. Sobald dies gelingt, könnten wir die Standards in der Medikamentenentwicklung nachhaltig verändern. Unsere Analyseplatte SpecPlate  bietet Kunden bereits jetzt messbare Vorteile durch präzisere Messergebnisse und kürzere Bearbeitungszeiten. Unser Ziel ist es, mit der SpecPlate den aktuellen Goldstandard abzulösen und damit einen neuen ‚besseren Standard; zu setzen – genau das spiegelt auch unser Slogan wider.

Welche Rolle spielten bei der bisherigen Entwicklung Investoren und welche Rolle werden diese in Zukunft spielen?

Unser strategischer Investor ist für uns eine wertvolle Unterstützung, und wir sind sehr zufrieden mit dieser Partnerschaft. Aktuell planen wir, keine weiteren externen Investoren an Bord zu holen. Dies gibt uns die Freiheit, eigenständig zu entscheiden und in Projekte zu investieren, die wir als besonders erfolgversprechend ansehen. Mit den bestehenden Umsätzen und dem erfolgreichen Markteintritt der SpecPlate erwarten wir zudem, dass wir unser Wachstum selbst finanzieren können. Unser Ziel ist es, in 2025 profitabel zu sein und unser Wachstum nachhaltig zu sichern.

Welche Ziele haben Sie für die nächsten fünf Jahre? Sind weitere Entwicklungen geplant oder schon in der Entstehungsphase?

Ideen gibt es reichlich – sowohl für die Weiterentwicklung unserer bestehenden Marken als auch für völlig neue Technologien. Doch aktuell liegt unser Fokus darauf, das operative Geschäft zu stabilisieren und zu wachsen, damit wir unser langfristiges Ziel erreichen: eine Technologietransferfirma zu werden, die innovative Lösungen für die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Biotechbranche erfolgreich auf den Markt bringt.

Sie stammen aus Ostwestfalen, genauer aus Löhne. OWL gilt allgemeinhin als innovationsstarke Region. Warum arbeitet PHABIOC dann von Karlsruhe aus?

Unser Standort in Karlsruhe hat einen einfachen Grund: die Anfangsfinanzierung. Carsten und ich konnten über das Karlsruher Institut für Technologie ein EXIST-Gründerstipendium erhalten. Für dieses Stipendium ist die Einreichung durch eine Universität notwendig, und da Carsten am KIT direkten Zugang hatte, haben wir uns entschieden, über das KIT zu gehen. Neben dem Stipendium hatten wir ein Jahr kostenlosen Zugang zu einem Büro und allen benötigten Laboren für unsere Produktentwicklung. Außerdem bin ich aus persönlichen Gründen in den Süden gezogen. Trotzdem bleibt unsere Verbindung zu Ostwestfalen bestehen, denn unsere innovativen Produkte werden weiterhin in Espelkamp produziert.

Infobox: Das ist Jannik Jungmann

  • Bildungsweg : Bachelor in Biomedizinischer Technologie und Master in Angewandter Biomedizintechnik von der Hochschule Hamm-Lippstadt, Abschlussarbeiten zu Biomarkern und Enzym-Immobilisierung.
  • Berufserfahrung : Start als Bio-Ingenieur bei der InnoMe GmbH, später Leiter der Geschäftseinheit PHABIOC und Produktmanager. Seit 2022 selbstständiger Geschäftsführer bei PHABIOC GmbH.
  • Besondere Fähigkeiten : Starke Kenntnisse in Prototypenentwicklung und Qualitätssicherung, praktisches Know-how im Bereich Diagnostik und Mikrosystemtechnik.
  • Vision : Meine Vision ist es, Forscher zu befähigen, die nächste Generation von pharmazeutischen und biotechnologischen Durchbrüchen zu entwickeln. Wir haben uns dazu verpflichtet, Wissenschaftlern moderne Werkzeuge und Technologien bereitzustellen, die Präzision, Effizienz und Vertrauen in ihre Arbeit verbessern – selbst für die schwierigsten Herausforderungen. Wir glauben, dass der Fortschritt im Gesundheitswesen mutige Innovationen, unermüdliche Hingabe und starke Partnerschaften erfordert. Deshalb werden wir weiterhin innovative Produkte entwickeln und bereitstellen, die unsere Kunden dabei unterstützen, die globale Gesundheit zu verbessern.

Info: PHABIOC im Portrait