Minden . Zwei, drei Bierchen zuviel beim geselligen Fußballgucken mit Freunden im Garten, in der Kneipe oder beim Public Viewing. Was Arbeitnehmer während der Europameisterschaft beachten müssen, ob Schichtarbeiter zum Fußballgucken freigestellt werden oder Restalkohol am Tag danach bei der Arbeit ok ist, beantwortet André M. Fechner, Geschäftsführer vom Arbeitgeberverband Minden-Lübbecke.

Herr Fechner, Sie sind unter anderem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die drängendste Frage vielleicht schon einmal vorneweg: Können die EM-Spiele während der Arbeit im Fernsehen oder Internet verfolgt werden?

André M. Fechner : Generell gilt, dass Mitarbeitende dem Arbeitgeber zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten die „volle Aufmerksamkeit“ schulden. D. h., sämtliche Beeinträchtigungen sind in einem angemessenem Maß nur dann und soweit zuzulassen, wie die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. Während der Arbeitszeit ist daher Fernsehen oder das Verfolgen eines Live-Streams im Internet grundsätzlich unzulässig. Es sei denn, der Arbeitgeber hat ausdrücklich die Erlaubnis hierzu erteilt. Ob der Ergebnis-Ticker nebenbei mitlaufen darf, hängt davon ab, ob und inwieweit der Arbeitgeber die private Internetnutzung während der Arbeitszeit erlaubt hat.

Dürfen die Arbeitnehmer zum Beispiel im Deutschland-Trikot zur Arbeit erscheinen?

Das kommt darauf an, ob dies im konkreten Einzelfall zur Ausübung der jeweiligen Tätigkeit angemessen ist. Dies könnte etwa bei Kundenkontakt oder sonstigen repräsentativen Aufgaben nicht der Fall sein. Außerdem können gesetzliche Vorgaben zur Arbeitssicherheit – wie z. B. erforderliche Schutzbekleidung – dagegen sprechen.

Haben Mitarbeitende – insbsondere im Schichtbetrieb – einen Anspruch darauf, für das Schauen eines EM-Spiels freizubekommen?

Hier gibt es keinen Anspruch auf Freistellung! Soweit betriebliche Belange nicht entgegenstehen, kann der Arbeitnehmer hier Urlaub oder – bei entsprechender Gleitzeitregelung – stundenweise Gleitzeit nehmen. Dies sollte er möglichst frühzeitig beantragen. Der Arbeitgeber kann eine notwendige Mindestbesetzung von Abteilungen festlegen. Das kann dazu führen, dass diejenigen, die erst kurzfristig Urlaub oder Gleitzeit beantragen, diesen aus betrieblichen Gründen verwehrt bekommen. Dringend abzuraten ist davon, eigenmächtig der Arbeit fernzubleiben oder gar eine Arbeitsunfähigkeit vorzutäuschen, um ein EM-Spiel anschauen zu können – dies kann eine Abmahnung und sogar eine fristlose Kündigung nach sich ziehen!

Dürfen im Büro Fahnen, Poster und Spielpläne aufgehängt werden?

Hier gilt das „Hausrecht“ des Arbeitgebers – also kann er dies grundsätzlich verweigern! Hier wird aber darauf abzustellen sein, ob das Büro für Kunden zugänglich ist oder ob es sich um ein Büro handelt, in dem nur die einzelne Arbeitnehmerin oder der einzelne Arbeitnehmer tätig wird. Generell ist aber auch dann darauf zu achten, dass das Büro nur außerhalb der Arbeitszeit „geschmückt“ wird, sonst droht eine Abmahnung.

In den Unternehmen schließen sich Kollegen oft zu Tipprunden zusammen. Muss bei der Durchführung eines Firmen-Tippspiels vorher der Arbeitgeber um Erlaubnis gefragt werden?

Soweit sich das Tippspiel ausschließlich in der arbeitsfreien Zeit abspielt, ist dies „Privatsache“ der Arbeitnehmer und somit auch ohne vorherige Zustimmung des Arbeitgebers erlaubt. Falls aber hier die Tipps während der Arbeitszeit abgegeben werden oder hierzu sogar Mails über die Firmen-Email-Adresse gesendet werden, geht dies nur mit vorheriger Erlaubnis! Ansonsten droht den beteiligten Mitarbeitenden eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung.

Was ist beim Alkoholkonsum zu beachten?

Während der Spiele wird schon mal ein Bierchen getrunken – gern auch das eine oder andere mehr, wenn die eigene Mannschaft gewonnen hat. Das geht während der Arbeitzeit schonmal gar nicht. In fast allen Betrieben gilt absolutes Alkoholverbot! Aber auch Restalkohol vom Vortrag kann ernsthafte Konsequenzen haben, da Mitarbeitende immer in der Lage sein müssen, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall, drohen Abmahnung und sogar Kündigung. Bei Ausfallerscheinungen oder gar einem dadurch verursachten Arbeitsunfall drohen der Verlust des gesetzlichen Unfallschutzes und zudem erhebliche Haftungsrisiken.

Herr Fechner, vielen Dank für das Interview

André M. Fechner ist nicht nur Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke sondrn auch Geschäftsführer der InteressenGemeinschaft Standortförderung (IGS). Foto: pr/Andreas Redekop

Mehr zum Arbeitgeberverband Minden-Lübbecke und der IG Standortförderung

  • André M. Fechner ist Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke e.V. (AGV) und der InteressenGemeinschaft Standortförderung Minden-Lübbecke e.V. (IGS).
  • Unter dem Dach des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke e.V. (AGV) werden die Interessen der Arbeitgeber des Kreises Minden-Lübbecke gebündelt: Für derzeit 163 Mitgliedsunternehmen mit über 32.000 Arbeitsplätzen und knapp 1.800 Ausbildungsplätzen vertritt der AGV die arbeitgeberseitigen Positionen in der Öffentlichkeit und setzt sich als „Stimme der heimischen Wirtschaft“ für eine Optimierung der Standortbedingungen ein.
  • Die Kernkompetenz des Verbandes liegt dabei in der umfassenden arbeitsrechtlichen Betreuung: Von der regelmäßigen Information, einem vielfältigen Schulungsangebot über die individuelle Rechtsberatung bis hin zur Prozessvertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten werden die Mitgliedsunternehmen unterstützt. Hinzu kommen Beratungsleistungen in allen Fragen der Arbeitsorganisation und der Arbeitswirtschaft durch die Verbandsingenieure des AGV. Nähere Informationen unter www.agv-minden.de .  
  • Als Impuls- und Ideengeber nimmt die InteressenGemeinschaft Standortförderung Minden-Lübbecke e.V. (IGS) eine besondere Rolle in der heimischen Wirtschaftsförderung ein. Seit inzwischen mehr als 30 Jahren hat sich die IGS als Forum zum Erfahrungsaustausch zwischen allen elf Kommunen des Kreises, dem Kreis selbst und der Wirtschaft etabliert. Mit den von der IGS ins Leben gerufenen Impulsen und Projekten sollen die Vorteile unseres Mühlenkreises insbesondere für junge Fachkräfte aufgezeigt und sowohl innerhalb als auch außerhalb der Region bekannter gemacht werden. Nähere Informationen unter www.igs-minden-luebbecke.de .