Kreis Lippe . Noch vor wenigen Jahren, etwa in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre, wäre die heutige Rezession vielen wahrscheinlich undenkbar oder zumindest kurzfristig völlig unrealistisch erschienen. Dann kamen die Krisen (Corona, Ukraine-Krieg) und mit ihr traten die Achillesfersen der deutschen Wirtschaft zutage: Ausrichtung auf den Export, komplexe Lieferketten, Energieabhängigkeit von ausländischen Quellen. Diese Rückschläge wirken nach und sind neben anderen Gründen ausschlaggebend, dass sich die Wirtschaft in einer Rezession befindet: 2023 schrumpfte sie laut übereinstimmenden Medienberichten um 0,3 Prozent, 2024 nochmal um 0,2 Prozent und auch 2025 sieht es schwierig mit dem Wachstum aus. Zwei Rezessionsjahre in Folge, das gab es zuletzt 2002/2003.

Auch die lippische Wirtschaft ist von diesen Entwicklungen nicht verschont geblieben, wie Corinna Kronsbein, Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Lippe (AGV), berichtet. „In vielen Branchen haben die Firmen Kostensparprogramme aufgelegt, die Notwendigkeit von Schulungen und Dienstreisen werden nun genau überprüft“, berichtet sie. Eine andere Sorge gelte dem Halten der qualifizierten Mitarbeiter.

Unternehmen halten an Ausbildung fest

Unter diesen Bedingungen kann man sich schon die Frage stellen: Macht es jetzt überhaupt Sinn, sich nach einem Ausbildungsplatz umzusehen? Auf jeden Fall, wie Corinna Kronsbein unterstreicht. „Die aktuell schwierige Lage wirkt sich nicht auf den Ausbildungssektor aus. Die hiesigen Firmen halten daran fest, weiter Lehrstellen zu besetzen und Nachwuchs auszubilden“, erklärt sie. Ein Beweis hierfür sei auch die Tatsache, dass die Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge in Lippe 1,2 Prozent höher liegt als im NRW-Durchschnitt, wie eine Pressemitteilung der IHK von Januar 2025 unterstreicht. Zu den starken Zahlen trägt möglicherweise die nach wie vor angebotene Unterstützung für Berufsanfänger bei, die nicht nur von Seiten der Firmen erfolgt. Auch Institutionen wie Lippe Bildung vom Kreis oder eben die IHK sowie die Kreishandwerkerschaft helfen beispielsweise durch Kampagnen oder verschiedene Projekte Auszubildende zu fördern.

„Fachkräfte werden gebraucht, um auch zukünftig die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der heimischen Wirtschaft aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen.“ Corinna Kronsbein, Hauptgeschäftsführerin des lippischen Arbeitgeberverbandes (AGV)

Corinna Kronsbein, Hauptgeschäftsführerin des lippischen Arbeitgeberverbandes (AGV).

Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Die Firmen denken schon an die Zeit nach der Rezession. Denn wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden gut qualifizierte Fachkräfte gebraucht. Auch, weil die Demografie Druck macht. „Bis zum Ende des Jahrzehnts sind die Boomer-Jahrgänge, die heute noch viele Arbeitsplätze besetzen, in den Ruhestand gegangen. Diese Plätze müssen neu besetzt werden“, führt die Hauptgeschäftsführerin des AGV weiter aus. Daher haben viele Betriebe ein Interesse daran, den Nachwuchs gezielt für ihre firmeneigenen Anforderungen auszubilden, zu übernehmen und zu halten. „Diese Fachkräfte werden gebraucht, um auch die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der heimischen Wirtschaft aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen“, betont Kronsbein.

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Hier seien aber auch die Firmen und Betriebe vorab gefordert, die Praktikumsplätze anbieten müssten. Nur so könnten sich potenzielle Interessenten ein Bild davon machen, ob der Beruf etwas für sie wäre – und die Firmen gleich mit. In diesem Zusammenhang hat Corinna Kronsbein noch einen Tipp für junge Jobsucher: „Die Zufriedenheit mit dem Job ist auf lange Sicht so wichtig. Deshalb am besten früh mit den Praktika anfangen, um eigene Stärken und Vorlieben auszuloten. Dabei darf man sich auch nicht einschüchtern lassen, auch wenn einem ein Praktikum nicht zusagt. Das ist dann immerhin auch eine Erkenntnis“, rät sie.