Detmold. Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Problem unserer Zeit. Dennoch sind Arbeitssuchende über 50 im Schnitt 100 Tage länger arbeitslos als jüngere Menschen – trotz Anreizen aus der Politik, später in Rente zu gehen. Ein Widerspruch, findet Eduard Bergmann, People & Culture Manager bei orgaMAX in Detmold.

Am Sonntag, 16. März, spricht er auf der my job OWL in Bad Salzuflen darüber, warum Unternehmen häufig zögern, Ältere einzustellen und warum das ein Fehler ist. Denn erfahrene Mitarbeiter haben eine Menge zu bieten, ist Bergmann überzeugt.

Warum haben es Menschen ab 50 aus Ihrer Sicht auf dem Arbeitsmarkt schwerer?

Eduard Bergmann: Ich glaube, das größte Missverständnis der Unternehmen ist zu denken, Mitarbeiter, die über fünfzig sind und viel Erfahrung haben, seien extrem teuer. Und dann sagen sich viele eben, wir holen lieber jüngere Leute, die kosten weniger. Aber sie sehen nicht den großen Mehrwert und die Vorteile von Mitarbeitenden, die viel Erfahrung haben.

Mit welchen Pfunden können erfahrene Arbeitnehmer denn wuchern?

Bergmann: Ein wesentlicher Vorteil ist: Sie brauchen kein langes Onboarding. Das dauert bei jüngeren Leuten, die vielleicht gerade von der Uni kommen, viel länger. Erfahrene Mitarbeiter, die schon in der Branche gearbeitet haben, können direkt mit einsteigen. Wir haben bei uns im Unternehmen auch viele ältere Mitarbeiter. Das steigert auch die Diversität im Unternehmen, und man hat einen guten und produktiven Mix aus jüngeren und erfahreneren Leuten. Das ermöglicht gegenseitiges Lernen und Unterstützung. Erst kürzlich haben wir einen Softwareentwickler eingestellt, der ist 55. Und wir profitieren sehr von ihm, seinem Wissen und seiner Erfahrung. Und man sollte auch die Lebenserfahrung nicht unterschätzen, gerade in gewissen Stresssituationen oder bei Konflikten hilft die enorm. 

Gibt es weitere Vorurteile gegenüber Mitarbeitern ü50?

Bergmann: Viele sagen, jemand ab fünfzig ist nicht mehr so „up to date“ wie die jüngere Generation, braucht länger und hat Probleme, sich Neues anzueignen. Aber ich sehe eigentlich das Gegenteil: Erfahrene Mitarbeiter sind sehr wissbegierig. Die haben Lust, etwas zu verändern, ihre Erfahrungen zu teilen, und davon können natürlich die Junioren profitieren.

Bewerber ü50 haben es bei der Jobsuche oft schwerer und werden in Bewerbungsverfahren früh aussortiert. Foto: Adobe Stock

Also stimmt das Klischee, Ältere können sich nicht mehr auf Neues einlassen, nicht?

Bergmann: Nein, das wäre auch viel zu pauschal. Ich kenne auch jüngere Menschen, die schon sehr eingefahren sind in ihren Denkmustern. Das ist keine Frage des Alters. Und dafür gibt’s ja Bewerbungsgespräche. Da schaut man, wie ist die Person, wie tickt sie? Ist derjenige bereit, auch mal von anderen zu lernen und welche Erfahrung hat er gemacht? Und auch das Argument, ältere Mitarbeiter stehen einem Unternehmen nicht so lange zur Verfügung oder werden eher und länger krank, möchte ich kontern: Auch mit 50 müssen die Menschen doch noch zehn, fünfzehn Jahre arbeiten. Und in dieser Zeit können sie einem Unternehmen noch immens helfen. Wenn wir Menschen ab 50 nicht einstellen möchten, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Daher glaube ich: Der größte Punkt ist schlicht und einfach das Gehalt. Unternehmen sind heute nicht mehr bereit, Geld in die Hand zu nehmen für einen Mitarbeiter, der Erfahrung mitbringt.

Wie steht es mit dem Vorurteil, ältere Mitarbeiter mögen sich einem deutlich jüngeren Chef oder einer jüngeren Chefin nicht unterordnen?

Bergmann: Auch das ist zu pauschal. Aber die Bedenken gibt es auch auf der anderen Seite. Wir haben vor einigen Jahren eine Führungskraft eingestellt – mit 27. Er selbst hatte Zweifel, wie es sein würde, wenn er in seinem Team einen älteren Mitarbeiter hat. Aber das ist meiner Meinung nach unbegründet. Wenn jemand als Teamleiter so um die 30 ist und der Mitarbeiter um die 50, dann ist das doch super! Als Chef will ich doch Experten um mich haben, die auf ihrem Gebiet gut sind. Und die jeweiligen Aufgaben sind doch auch ganz verschieden: Der Mitarbeiter ist z. B. Programmierer, und der Teamleiter hat eher organisatorische Aufgaben und soll sein Team führen.

Lassen Sie uns die Perspektive wechseln: Was raten Sie Arbeitnehmern über fünfzig für die Jobsuche und fürs Bewerbungsgespräch?

Bergmann: Man muss Antworten auf die Vorurteile finden, die Unternehmen häufig haben. Also im Prinzip geht’s darum, zu zeigen, dass ich flexibel sein kann, dass ich innovativ und anpassungsfähig bin. Und dass es dem Unternehmen etwas bringt, wenn es mich einstellt. 

Aber wie schaffe ich es, trotz meines Alters nicht direkt aussortiert zu werden? Egal, ob bei einer Initiativbewerbung oder direkt auf eine Stelle beworben?

Bergmann: Man sollte in sozialen Netzwerken unterwegs sein. Heute ist es z. B. über LinkedIn so einfach wie nie zuvor, direkt mit Personalverantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Ich klicke auf „Vernetzen“, und schon kann ich eine Direktnachricht schreiben. Wenn dann noch das eigene Profil einigermaßen gepflegt ist, mit gewissen Angaben, mit Fähigkeiten, mit Skills, dann ist das ein toller Einstieg.

Früher hieß es: Erst mal anrufen und sich so ins Gespräch bringen…

Bergmann: Stimmt. Aber oft kriegt man die Leute heutzutage ja gar nicht direkt ans Telefon. Auf LinkedIn schickt man einfach eine entspannte Nachricht. Und der Personaler liest sie, wenn er die Zeit hat. Wenn man danach eine Bewerbung schickt, dann weiß er schon: Die Person hat mir auf LinkedIn geschrieben, die kenn ich! Wichtig ist, dass das eigene Profil aktuell und gepflegt ist, am besten auch mit einem ansprechenden Foto. 

Sie setzen bei sich auch voll auf Social Media?

Bergmann: Ja, neben LinkedIn auch auf Instagram, dort sind wir sehr aktiv. Wir haben zwei Social-Media-Manager mittlerweile. Heute bewerben sich Leute anders, und sie suchen auch anders nach Arbeitgebern. Früher hat man einfach nur gegoogelt oder man hat den Job gemacht, den Eltern oder Freunde gemacht haben. Daher ist es wichtig, auch auf Instagram vertreten zu sein, denn dort geben wir ganz andere Einblicke. Das ist für uns ein Marketingkanal, da geht es auch um Entertainment, Sarkasmus, sich nicht so ernst zu nehmen. Aber es ist trotzdem authentischer Content, der zeigt: So ist unser Unternehmen. Wir stellen im Jahr zwischen sieben und acht Auszubildende ein. Und viele davon kommen über Instagram zu uns, insofern war das wirklich ein Gamechanger. Es geht um Sichtbarkeit. 

 

Infobox: Das ist Eduard Bergmann

  • Eduard Bergmann ist 38 Jahre alt. Der alleinerziehende Vater lebt mit seinen drei Kindern in Detmold. Seit drei Jahren ist er bei orgaMAX hauptverantwortlich für den Bereich Recruiting und Employer Branding tätig und war zuvor sieben Jahre Personalleiter bei einem Logistikunternehmen in Steinheim. orgaMAX bietet seit 30 Jahren digitale Bürolösungen für Freelancer sowie kleine und mittelständische Unternehmen.
  • Seit 2023 ist Bergmann als Corporate Influencer auf LinkedIn aktiv. Dort folgen ihm mittlerweile 20.000 Menschen, er gehört damit zu den 99 einflussreichsten HRlern der Plattform. Als Gesicht seines Unternehmens teilt er Inhalte, die orgaMAX betreffen und nutzt seine Reichweite, um authentische Einblicke in den Unternehmensalltag zu gewähren und so Vertrauen zur Zielgruppe aufzubauen.
  • Mit Erfolg: Mehr als 100 Bewerbungen erreichen ihn und seine Kollegen jeden Monat, im vergangenen Jahr wurden 50 Mitarbeiter eingestellt. Alles ohne eine einzige Stellenanzeige. Insgesamt hat orgaMAX aktuell 150 Mitarbeiter.