Bielefeld . Das ostwestfälisch-lippische Handwerk bleibt trotz eines schwachen gesamtwirtschaftlichen Umfelds robust, entfaltet aufgrund schlechter Rahmenbedingungen aber auch keine positive Wachstumsdynamik. Das hat die jüngste Konjunkturbefragung der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld ergeben, deren Ergebnisse im Campus Handwerk in Bielefeld vorgestellt worden sind.

„Es ist höchste Zeit, wirksame Konjunkturimpulse durch Steuersenkungen, Deregulierung und Sicherstellung bezahlbarer Energieversorgung anzustoßen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks zu stärken“, betonte Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL. Gerade angesichts der zunehmenden Überlastung durch Bürokratie brauche es aus Sicht des regionalen Handwerks dringend Maßnahmen zur Standortverbesserung. Daher bekräftigte die Handwerkskammer ihre Forderung nach einer Modellregion für Bürokratieabbau in OWL. „So schaffen wir neue Handlungsspielräume und zeigen, dass Bürokratieabbau nicht nur reden, sondern auch handeln bedeutet“, so Eul.

Nur etwa jedes sechste Handwerksunternehmen meldet schlechte Aussichten

Von den insgesamt rund 1.200 Betrieben, die an der Umfrage teilgenommen haben, bewerten 46 Prozent ihre aktuelle Geschäftslage als gut, 38 Prozent sind zufrieden, nur 16 Prozent vermelden eine schlechte Geschäftslage. Damit setzt sich die Seitwärtsbewegung der konjunkturellen Lage seit dem Jahr 2022 fort. Besonders angespannt bleibt die Lage im Bauhauptgewerbe, in der 40 Prozent der teilnehmenden Betriebe sinkende Auftragsbestände vermelden.

Bauen lohnt sich nicht mehr

„Stark gestiegene Baukosten und überbordende Bauvorschriften haben dazu geführt, dass sich Bauen für viele nicht mehr lohnt“, erklärte Dr. Jens Prager, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, und betonte, dass es nun dringend neue Wachstumsimpulse brauche. „Das beschlossene Wachstumschancengesetz ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein und wird den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen kaum gerecht“, so Prager. Er forderte ein mittelstandsorientiertes Wachstumspaket, das auch die ursprünglich im Gesetz enthaltenen Entlastungen und Investitionsanreize enthalte.

Gebäudemodernisierungen führen zu einem Sonderkonjunktureffekt

Die aufgrund von Rezession, Inflation und Zinswende gedämpfte Nachfrage macht sich zunehmend auch im Ausbaugewerbe bemerkbar, wo Auftragslage und Investitionsvolumen im Vergleich zum vergangenen Herbst ebenfalls zurückgegangen sind. Im Vergleich zum Bauhauptgewerbe profitieren diese Betriebe allerdings teilweise von einer Sonderkonjunktur für Modernisierungs- und Effizienzmaßnahmen, vor allem im Bereich des Gebäudeenergiebedarfs. Verbessert hat sich auch die Situation bei den Handwerken für den gewerblichen Bedarf, den Handwerken für den privaten Bedarf und beim Kraftfahrzeuggewerbe. Auch das Lebensmittelgewerbe konnte nach einer Stagnation im Herbst 2023 den Erholungskurs wieder fortsetzen. Das Geschäftsklima erreicht mit 122 Punkten wieder das Vorkrisenniveau und somit den stärksten Wert aller Gewerbegruppen.

Insgesamt liegt der Geschäftsklimaindex, der als konjunktureller Leitindikator die aktuelle Lagebewertung und Erwartungen von Unternehmen bündelt, bei 114 Punkten. Er liegt damit zwar 6 Punkte über dem Wert aus dem vergangenen Herbst, aber auch 8 Punkte unter dem Wert aus dem Frühjahr 2023. „Die gesamtwirtschaftliche Stagnation sowie schwierige Rahmenbedingungen strapazieren vor allem die Zukunftserwartungen“, erklärte Prager. „Die Politik in Bund und Land ist daher mehr denn je gefordert, Konjunkturbremsen zu lösen, bürokratische Hürden abzubauen und Wachstumsimpulse für den Mittelstand zu entwickeln.“

Mehr als 20.000 Arbeitskräfte fehlen dem Handwerk in OWL

Weiter herrschte eine hohe Nachfrage nach handwerklichen Fachkräften. „Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz und die nachhaltige Transformation der Wirtschaft können und werden nur mit qualifizierten Fachkräften aus dem Handwerk umzusetzen sein“, hob Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld, bei der Vorstellung der aktuellen Konjunkturumfrage im Campus Handwerk in Bielefeld, hervor. Neben der Bewältigung zukünftiger Herausforderungen sei das Handwerk schon jetzt bei der Aufrechterhaltung der täglichen Daseinsvorsorge unverzichtbar, etwa bei Lebensmitteln, Wärme, Wasser oder Gesundheitsdienstleistungen und -produkten.

Aktuelle Daten zeigen, dass dem ostwestfälisch-lippischen Handwerk derzeit rund 12.100 Fach- und Führungskräfte, 4.700 Hilfskräfte und 4.700 Auszubildende fehlen. Besonders starker Personalbedarf besteht im Baugewerbe sowie im Lebensmittelgewerbe. „Das Fehlen von Fachkräften behindert bereits jetzt die Geschäftstätigkeit vieler Unternehmen. Fachkräftesicherung ist daher auch Zukunfts- und Wohlstandssicherung“, so Eul. Die durchschnittliche Auftragsreichweite von 9,4 Wochen zeige, dass in vielen Bereichen die Nachfrage nach handwerklichen Produkten und Dienstleistungen hoch sei.

„Trotz vielfältiger Herausforderungen für die Wirtschaft bietet das Handwerk gute Zukunftsperspektiven.“ Peter Eul

„Trotz vielfältiger Herausforderungen für die Wirtschaft bietet das Handwerk gute Zukunftsperspektiven“, erklärte Eul. Gelernte Fachkräfte hätten nach wie vor beste Chancen, im Handwerk einen spannenden, sicheren und krisenfesten Beruf mit attraktiven Verdienstmöglichkeiten zu finden. Der Kammerpräsident forderte daher ein radikales Umdenken in Politik und Gesellschaft, um die Berufsperspektiven im Handwerk noch bekannter zu machen. Es brauche endlich eine Intensivierung der Berufsorientierung an allen weiterführenden Schulformen, mehr verpflichtende Praktika und Probearbeitstage und verbesserte Rahmenbedingungen für Auszubildende im Bereich der Mobilität und Unterkünfte, betonte der Kammerpräsident.

Über die Handwerkskammer OWL

  • Die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld ist eine von 53 Handwerkskammern in Deutschland. Als Einrichtung der Wirtschaftsselbstverwaltung übernimmt sie hoheitliche Aufgaben, die ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts per Gesetz vom Staat übertragen wurden.
  • Die rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten engagiert die Interessen der Mitglieder, das sind mehr als 22.000 Betriebe mit rund 215.000 Beschäftigten, davon knapp 11.000 Auszubildende, die jährlich einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro erwirtschaften.
  • An ihrem zentralen Standort im Campus Handwerk vereint sie den Verwaltungssitz, das Berufsbildungszentrum mit Gästehaus und das Kompetenzzentrum für Intelligente Gebäudetechnologien.