Minden . Mit der Europawahl am 9. Juni werden entscheidende Weichen für die Zukunft der Europäischen Union gestellt. Damit Europa und seine Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland auch für die jüngere Generation ein Stück näher rückt, organisiert die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) EU-Schulstunden an Berufsschulen. Am 28. Mai fand nun ein Besuch von Robert Falch, Geschäftsführer der MINDA Industrieanlagen GmbH in Minden beim Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Minden statt.

Das Ziel: Unternehmerinnen und Unternehmer sollen mit jungen Menschen ins Gespräch über Europa und europäische Wirtschaftspolitik kommen und auch zeigen, wie wichtig es ist, sich an der Europawahl zu beteiligen. IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker: „Der wechselseitige Austausch innerhalb Europas hat uns wirtschaftlich und kulturell zu Wohlstand und Frieden verholfen. Aus Brüssel kommen zwar auch Regulierungen, welche mit großem administrativem Aufwand für Unternehmen einhergehen. Nichtsdestotrotz ist für mich als Unternehmer der gemeinsame Binnenmarkt mit seinem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften einer der größten Erfolge der Europäischen Union“, erklärt Wahl-Schwentker. „Der Binnenmarkt ist ein wichtiger Faktor für Wachstum und macht aus der EU ein internationales wirtschaftliches Schwergewicht.“

Europawahl betrifft Azubis in Minden-Lübbecke ganz direkt

Dabei betreffe die EU aber nicht nur Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern auch die Auszubildenden ganz direkt, betont IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke: „Gerade in einem globalisierten Arbeitsumfeld werden gute berufliche Qualifikationen und Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger.“ Die EU biete Auszubildenden und jungen Fachkräften durch Austauschprogramme wie „Erasmus+“ auch die Chance, Lern- und Arbeitserfahrung im EU-Ausland zu sammeln. „Die Jugendlichen können so im beruflichen Umfeld andere Länder und Kulturen kennenlernen und wichtige persönliche Erfahrungen sammeln, die sie in ihrem beruflichen Werdegang weiterbringen“, erklärt Pigerl-Radtke.

Bringen den Berufsschülern Europa näher (von rechts): Carsten Mittelberg (Schulleiter Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg Minden), Robert Falch (Geschäftsführer Minda Industrieanlagen GmbH Minden) sowie Jobst Obernolte (Fachlehrkraft Industrie). Foto: pr/IHK

Trotz der grundsätzlich positiven Effekte der europäischen Integration wird häufig Kritik an der Europäischen Union geäußert. Deshalb soll die Aktion an den Berufsschulen auch Gelegenheit bieten, über kritische Fragen sowie die Herausforderungen für die EU zu sprechen.

„Wir sollten mehr darüber sprechen, wie sich jede und jeder einzelne einbringen und Europa so mitgestalten kann.“ Robert Falch, Geschäftsführer Minda

Am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Minden war Robert Falch, Geschäftsführer der MINDA Industrieanlagen GmbH, ebenfalls in Minden, zu Gast. In der EU-Schulstunde zeigte er den Schülerinnen und Schülern an konkreten Beispielen aus seinem Betrieb, was die EU ganz allgemein, aber auch für MINDA, deren Produkte und deren Mitarbeitenden bedeutet – und verändert hat. „In einer Zeit, in der die Europäische Union vor großen Herausforderungen steht, sollten wir Unternehmerinnen und Unternehmer stärker über die Vorzüge Europas, aber auch über die Erwartungen für die Zukunft der EU insbesondere mit jungen Menschen sprechen“, so der Geschäftsführer von MINDA, Robert Falch.

Robert Falch appelliert an die Azubis aus Minden-Lübbecke

„Denn viele Erfolge der europäischen Integration werden heute als selbstverständlich wahrgenommen und finden daher in der öffentlichen Diskussion nur selten statt. Wir sollten mehr darüber sprechen, wie sich jede und jeder einzelne einbringen und Europa so mitgestalten kann“, führt Robert Falch weiter aus. Sein Appell an die Schülerinnen und Schüler war zum Abschluss, sich umfassend zur Wahl zu informieren und am 9. Juni die eigene Stimme für ein weltoffenes Europa abzugeben.

Carsten Mittelberg, Schulleiter am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Minden, freute sich sehr über den Besuch des Geschäftsführers von MINDA und betonte die Wichtigkeit der EU. Er mahnte aber auch, dass Europa nicht als selbstverständlich angesehen werden sollte.

Mehr zum Thema: Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt

In den vergangenen Jahren senkten immer mehr Bundesländer bei Landtagswahlen und auch für Kommunalwahlen das Wahlalter auf 16 Jahre ab. Nun zieht man im Bund für die Europawahl nach. Erstmals dürfen in der Bundesrepublik Jugendliche ab 16 Jahren bei der EU-Wahl ihre Stimme abgeben. Somit wächst in Deutschland die Anzahl der Wahlberechtigten um rund 10,4 Millionen auf circa 66 Millionen Bürger. Auch in Österreich, Belgien und Malta darf ebenfalls ab 16 Jahren gewählt werden. In Griechenland ab 17 Jahren.

Bei der Europawahl 2019 gaben in Deutschland rund 5 Millionen Erstwähler ihre Stimme ab. Für die am 9. Juni anstehende Wahl rechnet man mit einem Anstieg der Erstwähler.

Die Gegner der Herabsetzung des Wahlalters argumentieren, junge Menschen hätten in diesem Alter noch gar nicht das nötige Wissen und die Reife zur Wahlentscheidung. Hinzu kam die juristische Begründung, dass junge Menschen in Deutschland per Gesetz erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres voll geschäftsfähig sind. Somit lautet die Begründung salopp gesagt: Keine Geschäfte tätigen dürfen, aber über wichtige Zukunftsentscheidungen mitbestimmen. Außerdem wurde mit der EU-weiten Einheitlichkeit des Wahlalters argumentiert.

Wissenschaftliche Studien kommen zu einem anderen Schluss. Zum Beispiel forschten die Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin und Arnd Leininger von der TU Chemnitz in ihren „Jugendwahlstudien“ Chancen und Risiken bei der Absenkung des Wahlalters. Sie kamen zu dem Schluss, dass „es praktisch keine Unterschiede hinsichtlich des politischen Wissens und des politischen Interesses zwischen 15-, 16-, 17-, 18-, 19- und 20-Jährigen gibt. Im Durchschnitt sind sie alle gleichermaßen interessiert und wissend.“

Von der Universität Erfurt verglich die Sozialpsychologin Anna Lang Wahlentscheidungen von jungen Menschen und älteren Erwachsenen. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte sie, dass die 16- bis 17-Jährigen „eine genauso gute Entscheidungsqualität hätten wie die Älteren.“ Die Entscheidungen bei beiden Altersgruppen hingen laut Lang vor allem davon, wie sehr die Inhalte der gewählten Partei mit den Überzeugungen der Wählenden übereinstimmten. (cb)

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