Minden . Tübingen machte es als erste deutsche Stadt vor, Köln zieht nach und möchte eine Verpackungssteuer auf Einweggeschirr und Besteck erheben. Das Hauptargument sind die Kosten für die Beseitigung von weggeworfenem Einwegabfall.

Köln ist die größte Stadt in NRW und so manche Entscheidung von hier könnte Signalwirkung haben. Beispielsweise plant die viertgrößte Stadt Deutschlands die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer. Köln wäre damit nach Tübingen deutschlandweit die zweite Stadt, die von Gastronomiebetrieben zusätzliche Gebühren einfordern würde.

Maßgeblich für die Entscheidung in Köln war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn das bestätigte die Verfassungsmäßigkeit der kommunalen Verpackungssteuer. Eine Franchise-Nehmerin von McDonalds hatte sich gegen die 2022 eingeführte Steuer erfolglos gewehrt. Konkret werden Tübinger Restaurants mit 50 Cent pro Box und 20 Cent pro Besteck zur Kasse gebeten, sofern die Verpackungen nicht wiederverwendbar sind.

Bundesverfassungsgericht kassiert Entscheidung des Verwaltungsgerichthofs

Laut Klägerin hätte die Kommune ihre Gesetzgebungskompetenz überschritten. Dem widersprachen die Karlsruher Richter mit dem Verweis auf die „Örtlichkeit des Verbrauchs“. Heißt, dort wo unmittelbar Essen in Einwegverpackungen verkauft und konsumiert wird, darf die Kommune Satzungen erlassen. Zunächst hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim noch zugunsten der Klägerin entschieden.

Die Einnahmen aus der Verpackungssteuer belaufen sich in den ersten beiden Jahren nach der Einführung auf ungefähr 1,4 Millionen, berichtete Ende Januar das Fachmagazin für kommunale Entscheidungsträger. Aus den Einnahmen bezahlt Tübingen die Müllbeseitigung und reinvestiert außerdem in Umweltschutzmaßnahmen.

„Wir halten es für plumpe Wegelagerei und falschen ’Umweltlabel’. Es geht um Geldmacherei.“ Matthias Johnen, DEHOGA Nordrhein

Der Nabu begrüßte die Einführung in Tübingen. Schon vor dem Inkrafttreten des EU-weiten Verbots von Tellern und Besteck aus Einwegplastik im Juli 2021 entfielen 65 Prozent des Abfalls auf To-go-Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton. Zudem schätzte der Umweltschutzverband, dass 1,5 Millionen Bäume für die Produktion der in Deutschland verwendeten To-go-Verpackungen aus Pappe und Papier gefällt werden müssten. Ob die Bäume in Deutschland, europa- oder weltweit gefällt werden müssten, nannte der Nabu nicht.

Erst Förderprogramm, dann Verpackungssteuer in Tübingen

Der Einführung der Verpackungssteuer in Tübingen voraus, ging ein Förderprogramm für die Unternehmen. Diese konnten Anschaffungen von gewerblichen Spülmaschinen mit bis zu 1.000 Euro und die Anschaffung von Mehrweggeschirr mit bis zu 500 Euro fördern lassen. Übrigens: Die Wahl des Mehrwegsystems überließ die Stadt den Gastronomen und schrieb kein einheitliches Mehrwegsystem vor, weil die Unternehmen viele unterschiedliche Anforderungen an Form, Material und Handhabung hatten. Laut dem Amt für Umwelt- und Klimaschutz seien bis Juni 2023 110 Gastronomiebetriebe gefördert worden. Gegenüber dem Portal kommune.de zog der Klima- und Umweltschutzbeauftragte Bernd Schott ein positives Zwischenfazit: „Es freut mich sehr, dass sich die Verpackungssteuer wie beabsichtigt als wirksamer Katalysator für Mehrwegangebote erwiesen hat.“

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Eine Studie der Universität Tübingen kommt zu demselben Schluss. „Das Mehrwegsystem wurde durch die Einführung merklich stimuliert“, heißt es in der Kurzform der Studie. Es heißt aber auch, dass das tatsächliche Gewicht des Abfalls aus Einweggeschirr gleichgeblieben sei, weil zum Beispiel schwere Glas- oder Metallverpackungen nicht besteuert würden, aber trotzdem in den städtischen Mülleimern landen.

180.000 Einwegbecher auf Kölner Straßen und in Mülleimern

In Köln hat übrigens der Rat mehrheitlich den Antrag von CDU und Grünen beschlossen. Die Abfallbetriebe Köln gaben gegenüber dem WDR an, dass in Köln täglich 180.000 Einwegbecher genutzt und weggeworfen würden. Wie hoch die Kosten für Fast-Food-Ketten, Pizzerien, Dönerbuden, Bäckereien und Metzger sein werden, ist in Köln noch offen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) schrieb in einer Stellungnahme, dass man sich die Stadt Köln Einnahmen von bis zu zehn Millionen verspreche.

HDE kritisiert Verpackungssteuer als das falsche Mittel

Bezogen auf Köln unterstrich der für die Region Köln-Aachen-Düren zuständige HDE-Geschäftsführer Jörg Hamel: „Wir verfolgen branchenübergreifend das Ziel, die Kölner Innenstadt sauberer zu machen und Verpackungsmüll zu reduzieren“, kritisierte allerdings: „Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ist dabei allerdings das falsche Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.“ Zusätzliche finanzielle Belastungen und ein weiterer Anstieg des Bürokratieaufwandes wären von vielen Betrieben nicht zu stemmen. In derselben Erklärung kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Systemgastronomie, Markus Suchert: „Bei einer Weitergabe der Kosten an die Gäste droht ein weiterer dramatischer und für die Unternehmen existenzbedrohender Rückgang der Besucherzahlen, da die Menschen sich bereits jetzt schon vielfach keinen Restaurantbesuch mehr leisten können.“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga ist nicht davon überzeugt, dass zusätzliche Gebühren das Abfallaufkommen reduzieren werden. Matthias Johnen von der Dehoga Nordrhein formulierte die Ablehnung gegenüber dem WDR drastisch: „Wir halten es für plumpe Wegelagerei und falschen ’Umweltlabel’. Es geht um Geldmacherei.“ Zu guter Letzt hätten Gastronomen in Städten, in denen eine Verpackungssteuer erhoben werde, einen Nachteil gegenüber Betrieben in Kommunen ohne Verpackungssteuer.