Minden . Misserfolge gehören zum Leben. Im Optimalfall führen sie dazu, Fehler zu vermeiden, sich nach einer Selbstreflexion neu zu sortieren und somit mit einem ungetrübten Blick nach vorne, Neues anzugehen. Martin Strobel, ehemaliger Handball-Nationalspieler, Europameister, Gewinner von Olympia-Bronze und fünf Spielzeiten lang Spielmacher beim TBV Lemgo-Lippe hat solche Situationen in seinem Sportlerleben womöglich tausendfach erlebt und daraus immer wieder neue Stärke gezogen. Diese Erfahrungen gibt der 38-Jährige nun an Führungskräfte aus der Wirtschaft weiter.

„Scheitern ist das neue Erfolgsrezept“ lautet ein Motto des Experten für Führungskräfte – bezogen auf Martin Strobels Karriere nach der Karriere ziemlich passend. Im Gespräch blickt er eben genau auf den wahrscheinlich schlimmsten Tiefpunkt seiner Handball-Karriere zurück.

Scheitern und Tiefschläge als Erfolgsrezept: Lektionen aus Strobels Karriere

Schauplatz Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark 2019. Wenige Monate zuvor bewegte Bundestrainer Christian Prokop Strobel zu einem Comeback in der Nationalmannschaft. Im Hauptrundenspiel gegen Kroatien vor 19.500 Zuschauern in der Kölner Lanxess-Arena passierte es in der neunten Spielminute. Ohne gegnerische Einwirkung rissen in Strobels Knie das vordere Kreuzband und das Innenband. Besonders bitter: Mit dem 22:21-Sieg machte Deutschland den Einzug ins Halbfinale klar. Die Spiele um die Medaillen verfolgte Strobel vom heimischen Sofa aus.

Der Schockmoment: Im WM-Hauptrundenspiel gegen Kroatien verletzte sich Martin Strobel schwer am Knie. Die Verletzung war in gewisser Weise der Startschuss für die Karriere nach der Karriere als Handballprofi. Foto: Jörg Hagemann/Lippische Landeszeitung

Strobel kämpfte sich wieder aufs Spielfeld zurück und führte seinen damaligen Klub, den HBW Balingen-Weilstetten, in der ersten Handball-Bundesliga zum Klassenerhalt. Doch die Verletzung sollte parallel dazu der Startschuss für die Karriere nach der Karriere gewesen sein. „Unternehmen haben in dieser Zeit angefragt, ob ich bei Firmenveranstaltungen für ein Interview zur Verfügung stehe, oder ob ich einen Vortrag halten könne“, erinnert sich Strobel.

„Eine gewisse Popularität aus dem Sport hilft vielleicht in der Anfangszeit. In den ersten fünf Jahren muss man aber Referenzen aufbauen, weil die Bekanntheit im Laufe der Zeit deutlich nachlässt.“ Martin Strobel

Strobel konnte. Auch weil er schon immer eine Affinität zu Wirtschaftsthemen hatte. „Während der Zeit in Lemgo habe ich International Business studiert. Dazu kam noch ein Praxissemester am Lemgoer Standort der österreichischen Zumtobel Group, inklusive vieler Einblicke in verschiedene Unternehmensbereiche. „Beindruckend fand ich, welche Fragen ein externer Berater im Rahmen eines Führungskräfteseminars gestellt hat, um die Mitarbeiter aus den Gewohnheiten herauszuholen. Von da an habe ich mich auch mit diesem Thema auseinandergesetzt.“

Führungskompetenzen: Parallelen zwischen Sport und Wirtschaft

Strobel erkannte die Parallelen zu seinem Leben als Profisportler und zu seiner Rolle als Spielmacher, Führungsfigur für Mitspieler und schließlich als verlängerter Arm der Trainer. „Als Profisportler lebt man in einem gewissen Trott aus Training, Spielvorbereitung, langen Busfahrten zu Auswärtsspielen und Spielanalysen. Außerdem besteht ein permanenter Dialog mit dem Trainer. Was lief gut? Was können wir besser machen?“ Während der 60 Minuten auf dem Feld geschieht das unter enormer Anspannung.

Ein weiterer Berührungspunkt mit dem Thema Führen war die Europameisterschaft 2016. Deutschlands „Bad Boys“ starteten mit dem jüngsten Team aller teilnehmenden Nationen in das Turnier, galten als krasser Außenseiter und standen nach der 29:32-Niederlage gegen Spanien in der schweren Vorrundengruppe vor den Duellen gegen Schweden und Slowenien schon mit dem Rücken zur Wand. Die weitere Geschichte ist Sportfans bekannt: Das DHB-Team wurde sensationell Europameister. Der Führungsstil von Coach Dagur Sigurdsson hatte außerdem bei Strobel Spuren hinterlassen. „Ich habe viel daraus gelernt, wie Dagur mit uns als Team umgegangen ist. Er fand das richtige Maß zwischen Distanz und Nähe zum Team. Das variierte von Situation zu Situation. Oder durch welche Aktion initiieren wir die gewünschte Reaktion beim Team.“ Zudem habe es der Isländer geschafft, durch seine Kompetenz bei den Spielern eine Vision von dem größtmöglichen Erfolg zu erzeugen.

Abschied nach fünf Jahren: 2013 wechselte Martin Strobel vom TBV Lemgo-Lippe zurück zu seinerm Heimatverein HBW Balingen-Weilstetten. Mit dem TBV feierte Strobel 2010 den Gewinn des EHF-Pokals, dem zweitwichtigsten Wettbewerb hinter der Champions League. Während seiner Lemgoer Zeit absolvierte Strobel ein Praxissemester bei der Zumtobel Group. Foto: Jörg Hagemann/Lippische Landeszeitung

Gesellschaftlich und in der Wirtschaft werden die Themen zunehmend komplexer

Das galt sowohl neben als auch auf dem Spielfeld. „Im Spiel hat man keine Zeit zu hadern. Man muss lernen, Situationen zu akzeptieren, schnellstmöglich Lösungen zu entwickeln, Handlungen ableiten und sich an diesen zu orientieren“, beschreibt Strobel Situationen, die sich auch auf die Führungsebenen von Unternehmen übertragen lassen. Unter den aktuellen Umständen sind solche Themen aktueller denn je.

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„Die Gegebenheiten innerhalb der Gesellschaft und in der Wirtschaft werden zunehmend komplexer, immer schnelllebiger“, weiß Strobel. Führungskräfte mit dem klaren Fokus, Situationen zu analysieren und daraus die richtigen Handlungen abzuleiten, sind gefragter denn je. Und hier setzt Strobel mit seiner Expertise aus 17 Jahren Profi-Handball, seinen Erlebnissen und dem angeeigneten Fachwissen über Führungstheorien an.

Strobels Ansatz für effektives Coaching: Tiefgründige Vorbereitung und Authentizität

Dafür, dass er in seiner zweiten Karriere erfolgreich ist, hat Strobel eine einfache Erklärung: „Die Teilnehmer an den Trainings und Vorträgen mögen es, wenn da vorne jemand steht, der authentisch von seinen Erfahrungen berichtet und darauf basierend, die richtigen Werkzeuge an die Hand geben kann.“

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Aus seinem Profileben weiß Strobel, dass eine gute Vorbereitung maßgeblich für den Erfolg ist. „Ich nehme vorab gerne an Meetings des Unternehmens teil, um Stimmungen zu verstehen und daraus Bezugspunkte für meine Arbeit zu identifizieren. So finden sich die Teilnehmer in den Veranstaltungen auch wieder. Da entscheiden Kleinigkeiten, ob ich die Teilnehmer abhole.“

Infobox: Das ist Martin Strobel

  • Martin Strobel spielte als Profi für den TBV Lemgo Lippe (2008 bis 2013) und zweimal für seinen Heimatverein HBW Balingen-Weilstetten (2005 bis 2008 und 2013 bis 2020).
  • Für die DHB-Auswahl lief er 147 Mal auf und erzielte 170 Tore, wurde 2016 Europameister und gewann im selben Jahr in Rio de Janeiro Olympia-Bronze. Aufgrund dieser Erfolge wurde die deutsche Nationalmannschaft mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet.
  • Zwischen 2021 und April 2024 war Strobel Mitglied des Mentoring-Teams des Deutschen Handballbundes und seit 2022 Chefmentor der Top-Talente der Nachwuchsnationalmannschaften.
  • Strobels Kernthemen als Experte sind Potentiale erkennen und nutzen, Teamführung unter Druck, Fokussierung auf ein Ziel durch Selbstregulierung.
  • Strobel studierte International Management an der Hochschule Ansbach und CAS-Sportmanagement an der Universität St. Gallen. Seit 2020 ist er selbstständig.
  • https://martinstrobel.de