Minden-Lübbecke . „Wer sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, hat bestes Rüstzeug für das Leben“, wusste schon der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Spätestens seit der Pandemie ist die Bedeutung des Handwerks für die regionale Nahversorgung noch einmal verstärkt ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. In einer immer stärker vernetzten Welt kann das Handwerk mit der Nutzung heimischer Ressourcen und regionalen Wertschöpfungsketten punkten.

Minden-Lübbecke. Mehr denn je zeigt sich die Systemrelevanz des Handwerks nun auch bei der Bewältigung drängender Zukunftsaufgaben, die ohne die vielen kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe nicht lösbar sind. Ob Energiewende, Wohnungsbau, Elektromobilität: Die 3.300 Betriebe im Mühlenkreis sind nicht nur Rückgrat der heimischen Wirtschaft, sondern arbeiten auch tagtäglich an der Welt von morgen. Dabei ist es vor allem das Zusammenspiel von traditioneller Handwerkskunst und innovativen Techniken, welches das Handwerk so besonders macht.

Viele Betriebe in der Region nehmen ihre Zukunft in die Hand und gestalten diese aktiv: Der Bremsendienst Weber GmbH investiert seit Jahren in erneuerbare Energien und integriert neueste Technik in seine betrieblichen Abläufe. Auch der Betrieb MF Tankanlagen GmbH & Co. KG. plant, seine Geschäftstätigkeit von fossiler Umgebung auf erneuerbare Strukturen umzustellen. Die international agierende Firma Jenz GmbH Maschinen- und Fahrzeugbau ist seit mehr als zehn Jahren bilanziell energieautark. Die Liste von regionalen Erfolgsbeispielen ließe sich noch deutlich weiterführen.

1.600 Menschen im Kreis Minden-Lübbecke erlernen einen Handwerksberuf

Seiner besonderen gesellschaftlichen Bedeutung wird das regionale Handwerk zudem bei der Schaffung verlässlicher Bleibe- und Entwicklungsperspektiven im ländlichen Raum gerecht. Derzeit absolvieren allein im Mühlenkreis über 1.600 junge Menschen eine handwerkliche Ausbildung. Auch in dieser wirtschaftlich besonders herausfordernden Zeit hält der Wirtschaftszweig zahlreiche spannende Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute bereit: Rund 600 junge Menschen in über 50 Gewerken haben zum laufenden Ausbildungsjahr im Kreis Minden-Lübbecke ihre berufliche Karriere mit einer Ausbildung im Handwerk gestartet. Dies entspricht einem Plus von gut drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Junge Menschen, die auf der Suche nach beruflicher Orientierung sind, erkennen zunehmend stärker, dass sie mit einer Ausbildung nicht nur ihre persönliche Entwicklung vorantreiben, sondern auch Umwelt und Gesellschaft nachhaltig verändern können. Die Arbeit mit den eigenen Händen ist erfüllend, schafft Selbstwirksamkeit und zufriedene Kundschaft. In vielen Gewerken kommt es zusätzlich zu den manuellen Fertigkeiten zunehmend auch auf technisches Know-how sowie spezielles Fachwissen an.

Ausbildung ist eine Grundlage für den künftigen Wohlstand

Neben der digitalen Transformation ist es aber vor allem der demografische Wandel, der das Handwerk zukünftig maßgeblich prägen wird: In den nächsten Jahren gehen auch im Mühlenkreis zahlreiche Betriebsinhaberinnen und -inhaber in den Ruhestand, und zu wenig junge Leute rücken nach. Die Ausbildung, Sicherung und Gewinnung von Fachkräften ist daher die entscheidende Herausforderung der nächsten Jahre. Dabei ist die berufliche Bildung nicht nur ein international anerkanntes Erfolgsmodell, sondern vor allem auch Grundlage für den zukünftigen Wohlstand.

Um auch in Zukunft genügend Fachkräfte für die Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen zu haben, braucht es endlich eine echte Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Diese muss nicht nur verbindlicher im Deutschen Qualifikationsrahmen geregelt, sondern auch stärker als bisher in der Praxis gelebt werden. Außerdem muss die Berufsorientierung an Schulen früher ansetzen, breiter informieren und in allen Schulformen – auch und gerade in den Gymnasien – intensiviert werden. In einer Situation wie dieser, in der nahezu in allen Gewerken Fachkräfte händeringend gesucht werden, kann es sich Deutschland nicht mehr erlauben, dass akademische Bildung nach wie vor als alleiniger Königsweg für die berufliche Entwicklung junger Menschen gesehen wird.

Ob Dekarbonisierung, Digitalisierung oder Demografie: Das Handwerk schafft und bewahrt Werte und gestaltet Tag für Tag eine lebenswerte Zukunft. Das verdient mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.