Ostwestfalen-Lippe . Die Lebenszeit eines erfolgreichen Familienunternehmens ist im Grunde unbegrenzt – sofern die Inhaber geeignete Nachfolger finden. Doch das ist heutzutage deutlich schwieriger geworden. Fachkräftemangel, Bürokratie und weltweite Krisen nennen Unternehmer aus OWL als die wesentlichen Hemmnisse. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) OWL zu Bielefeld hervor. Wirtschaftsexperten raten daher, sich frühzeitig um die Regelung der Unternehmensnachfolge zu kümmern und sich bei diesem Prozess professionell beraten zu lassen.

Früher war es meist eine klare Angelegenheit: Wenn die Eltern ins Rentenalter kommen, geht der Familienbetrieb an den Sohn oder die Tochter über, die das Unternehmen weiterführen. Diese Art der Nachfolge innerhalb der Familie sei zwar noch immer die bei weitem beliebteste Übergabevariante – ein Drittel der Befragten strebe diese Form der Nachfolge an – allerdings seien die familieninternen Übergaben zahlenmäßig rückläufig und der Druck nehme zu, eine externe Lösung zu finden, erläutert Thomas Mikulsky, Leiter des Referats Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK OWL zu Bielefeld, ein Ergebnis der IHK-Umfrage.

Thomas Mikulsky, Leiter des Referats Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK OWL zu Bielefeld stellt fest, dass der Anteil der familieninternen Unternehmensnachfolgen abnimmt. Foto: pr/IHK OWL zu Bielefeld

Das sieht auch Frank Lumma, Referent für Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lippe zu Detmold, so. „Die heute 50- bis 70-Jährigen hatten oft selbst diesen Druck, den Familienbetrieb übernehmen zu müssen, das möchten viele ihren Kindern ersparen“, erklärt Lumma. Diese hätten oft eh gänzlich andere berufliche Perspektiven für sich gefasst.

Mehrheit der über 50-Jährigen hat Planungen für die Unternehmensnachfolge gestartet

An der Umfrage der IHK OWL zum Nachfolgegeschehen in Ostwestfalen haben im ersten Quartal dieses Jahres gut 460 im Handelsregister eingetragene Gewerbebetriebe aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen mit Hauptsitz in Ostwestfalen teilgenommen, berichtet Thomas Mikulsky. Im Mittelpunkt der Befragung standen Inhaberinnen und Inhaber ab dem 50. Lebensjahr. Die Ergebnisse zeigten, „dass bereits heute 70 Prozent der über 50-jährigen Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Übergabeplanungen gestartet haben und viele von ihnen das 65. Lebensjahr als Marke für Veränderungen empfinden“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke. Bis zur Umsetzung planten sie überwiegend mittel- und langfristig. In NRW stünden jährlich 8.000 Unternehmensnachfolgen an.

Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der IHK OWL zu Bielefeld stellt fest, dass viele Unternehmer ein Alter von 65 Jahren als Marke für die Übergabe ansehen. Foto: pr/IHK OWL zu Bielefeld

27 Prozent der Befragten möchten laut IHK-Umfrage in drei oder fünf Jahren ihren Betrieb ganz oder teilweise übergeben, 23 Prozent später. „Dass für ein Viertel der Betroffenen in den nächsten zwei Jahren die Nachfolge ansteht, bedeutet nicht, dass der Übergabezeitraum kurzfristig ist“, erklärt Thomas Mikulsky. Vieles spreche dafür, dass überwiegend in den Unternehmen diese wichtige Weichenstellungen rechtzeitig vorgenommen würden und man für die Übergabe Zeit benötigt. Die Umfrage zeige aber auch, dass es zahlreiche gegenteilige Beispiele gebe. In diesen Fällen sei das Risiko, dass eine erfolgreiche Fortführung scheitere, besonders hoch.

Ähnlich sieht es in Lippe aus. Von den rund 23.000 bei der IHK Lippe zu Detmold registrierten Unternehmen sind 18.800 gewerblich tätig. 4.400 davon haben aktuell einen Geschäftsführer oder Inhaber, der 60 Jahre oder älter ist und dem kein jünger potenzieller Nachfolger zur Seite steht. Das heißt: Für 23 Prozent der lippischen Handels- und Gewerbebetriebe wird die Nachfolgeregelung kurz- bis mittelfristig wichtig. „Inwiefern dort die Nachfolge bereits geregelt ist, dazu liegen uns aktuell keine Daten vor“, erklärt Frank Lumma. Im Handwerk stünden allein in den nächsten fünf Jahren in rund 1.200 ostwestfälisch-lippischen Unternehmen eine Betriebsnachfolge an, berichtet Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL.

Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld weiß, dass in den kommenden Jahren in 1.200 Handwerksbetrieben die Nachfolgen geregelt werden müssen. Foto: pr/HWK OWL zu Bielefeld/ Jörg Dieckmann

Als größtes Problem im Übergabeprozess sehen Handel, Gewerbe und Handwerk den demographischen Wandel und den damit verbundenen Fachkräftemangel. Den altersbedingt steigenden Übergaben stünden in den kommenden Jahren Nachfolger aus geburtenschwächeren Jahrgängen gegenüber. „Es droht ein Engpass“, so Thomas Mikulsky. Auch Bürokratie und Krisen bremsten die Nachfolge aus, sich die Wirtschaftsvertreter einig. Gründungs- oder übernahmeaffine Personen zwischen 20 und 40 Jahren werden rar.

Der IHK-Umfrage zufolge schätzen bereits heute gut vier von fünf Teilnehmenden, die einen Verkauf anstreben, die Suche nach einer Käuferin oder einem Käufer als problematisch ein. Die Ergebnisse legten auch nahe, dass die Suche nach einer externen Unternehmensnachfolge zunehmend schwieriger werde und hiervon in besonderem Maße kleinere Unternehmen betroffen seien. „Umso wichtiger ist es für diejenigen, die einen Verkauf als potenzielle Exit-Variante anstreben oder anstreben müssen, frühzeitig mit den Übergabeplanungen zu starten“, betont Petra Pigerl-Radtke.

Familieninterne Nachfolgelösung weiterhin am stärksten

Nach der familieninternen Nachfolgelösung liege in OWL mit einem Fünftel der Nennungen der Verkauf des Betriebes an ein anderes Unternehmen an zweiter Stelle der Übernahmeart; gefolgt von der Übernahme durch eine externe Person (15 Prozent). Überdurchschnittlich häufig würden Übernahmen in der Industrie (38 Prozent) und im Handel (32 Prozent) angestrebt. Im Dienstleistungssektor treffe das lediglich auf jede vierte Nachfolge zu.

Gerade im Handwerk finden Übergaben häufig noch innerhalb der Familie statt, oder der Betrieb wird von Mitarbeitenden übernommen. „Eine völlige Fremdnachfolge ist eher seltener“, erklärt Peter Eul. Gleichwohl sei auch im Handwerk eine Übergabe an die nächste Familiengeneration nicht mehr so selbstverständlich wie früher.

„Die Suche nach einer externen Nachfolge erfordert Geduld.“ Thomas Mikulsky

„Die Suche nach einer externen Nachfolge erfordert Geduld“, berichtet IHK-Referent Thomas Mikulsky. Denn 33 Prozent der Befragten sähen diese Suche als sehr schwierig an und 51 Prozent als eher schwierig.  Weitere 13 Prozent belassen das Unternehmen im Familienbesitz und setzen eine externe Führungskraft ein. Mit der Betriebsgröße steigt die Bedeutung dieser Übergabevariante. Knapp jedes zehnte Unternehmen wird durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter fortgeführt.

So gelingt die Unternehmensnachfolge

Vielfach läuft der Wechsel in Familienbetrieben sehr erfolgreich und geräuschlos ab. Vor allem beim Wechsel innerhalb der Familie. In jedem Fall ist es empfehlenswert, sich bei dem Prozess von professioneller Seite begleiten zu lassen. Die großen Verbände wie IHKs oder Handwerkskammern bieten Hilfe und Unterstützung dazu an. Wichtig ist, sich frühzeitig mit der Nachfolgeregelung auseinanderzusetzen. Inhaber sollten zwischen 55 und 60 Jahren angefangen haben, die Weichen Richtung Zukunft zu stellen.

„Wenn Übernahmen scheitern, liegt es meist daran, dass der Kaufpreis zu hoch ist“, mahnt Frank Lumma. Foto: pr/IHK Lippe zu Detmold

Verschiedene Aspekte berücksichtigen: rechtlich, steuerlich und finanziell

Zu berücksichtigen sind bei der Unternehmensnachfolge zum einen rechtliche Aspekte. Eine Übertragung ist bei Einzelunternehmen relativ einfach, „geht es um eine GmbH wird es schon schwieriger“, sagt Frank Lumma. Auch spielen steuerliche Aspekte eine Rolle, werden Erbschafts- oder Schenkungssteuer fällig, ließen sich beispielsweise jährliche Freibeträge nutzen. So oder so sollte rechtzeitig auch der Steuerberater in die Planungen mit einbezogen werden. In finanzieller Hinsicht ist eine Frage zentral: Was ist das Unternehmen eigentlich wert? „Das ist entscheidend für den Kaufpreis“, sagt Frank Lumma. Unternehmen werden dabei ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewertet. Denn für Kauf- oder Übernahmeinteressenten geht es darum, ob sie sich vorstellen können, auch in Zukunft mit dem fraglichen Unternehmen Gewinne zu machen. „Wenn Übernahmen scheitern, liegt es meist daran, dass der Kaufpreis zu hoch ist“, mahnt Lumma.

Die Psychologie bei der Regelung der Unternehmensnachfolge nicht vergessen

„Nicht zu unterschätzen sind auch die psychologischen und sozialen Komponenten einer Betriebsübergabe. Gerade deshalb kann ein neutraler Blick von außen häufig sehr hilfreich sein“, meint Handwerks-Präsident Peter Eul.

Innerhalb der Firma sollte allen Mitarbeitenden gegenüber offen und transparent über mögliche Veränderungen informiert werden. Und egal, ob der Führungswechsel innerhalb der Familie passiert oder ein oder mehrere bisherige Angestellte den Betrieb übernehmen: Die künftigen Chefs sollten frühzeitig Führungskompetenzen und Verantwortung übertragen bekommen. „Man kann sie auch schon früh am Unternehmen beteiligen, etwa in Form einer GbR oder GmbH. So bekommt der potenzielle Nachfolger früh ein Gespür für Gewinn und Verlust“, rät Frank Lumma.

Auch das Loslassen-können des bisherigen Chefs ist wichtig. „Erfolgreiche Unternehmer brauchen ein gewisses Selbstbewusstsein. Das sollte auch einschließen, sich selbstbewusst zurückzunehmen“, meint Frank Lumma.

Info: Diese Angebote zur Unternehmensnachfolge bieten die Verbände an

  • Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen bieten neben umfangreicher persönlicher Beratung auch eine achtteilige kostenfreie Webinarreihe zur Unternehmensnachfolge an. Weitere Infos und Anmeldung dazu gibt es unter: https://t1p.de/bcs2j
  • Die Betriebsberatung der Handwerkskammer OWL bietet Gründungs- und auch Nachfolgeinteressierten umfangreiche Beratungsleistungen an – von der Erstellung eines soliden Übernahmekonzeptes über die Finanzplanung bis hin zur Recherche nach möglichen Fördermitteln.
  • Des Weiteren gibt es die Betriebsbörse der Handwerkskammer, die Nachfolgeinteressierte und Übergabeinteressierte zusammenbringt.
  • nexxt-change ist eine Internetplattform des Bundeswirtschaftsministeriums, der KfW, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands in Zusammenarbeit mit den Partnern der Aktion „nexxt“. Die Unternehmensnachfolgebörse bringt nachfolgeinteressierte Unternehmer und Existenzgründer zusammen. Unternehmer können in den Inseraten der Börse recherchieren oder selbst Inserate einstellen. Betreut werden sie dabei von Regionalpartnern wie den Handwerkskammern und den IHKs, Volksbanken und Sparkassen. Infos: www.nexxt-change.org