Bielefeld . Die ostwestfälische Wirtschaft sieht in der vorgezogenen Bundestagswahl vor allem eine Chance und fordert schnelle Entscheidungen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit. Das geht aus einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) hervor, an der sich in der vergangenen Woche mehr als 850 Unternehmen beteiligt haben.

„Die große Resonanz belegt, wie sehr die wirtschaftspolitische Lage und die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland unsere Mitgliedsunternehmen umtreibt“, sagt IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker. „Die Antworten der Teilnehmer zeigen dabei deutlich, wie schwerwiegend die Probleme in vielen wirtschaftlichen Kernfeldern bewertet werden und dass dringender Handlungsbedarf besteht, um den Wirtschaftsstandort wieder stark und wettbewerbsfähig zu machen.“

Um den Industriestandort zu sichern und die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit zu stärken, brauche es nun entschlossene Weichenstellungen und Reformwillen. „Wir hoffen darauf, dass eine neue Bundesregierung kräftige Impulse setzt, die auch in der Lage sind, eine Aufbruchstimmung herbeizuführen“, betont Wahl-Schwentker .

Das angekündigte Vorziehen der Bundestagswahl bewerten zwei Drittel der antwortenden Unternehmensvertreter „positiv“, weitere 23 Prozent „eher positiv“. Acht Prozent stehen dem Vorziehen neutral gegenüber, drei Prozent sehen es „eher negativ“ und ein Prozent „negativ“.

Ostwestfälische Wirtschaft fordert Reformen für Wettbewerbsfähigkeit

Schlechte Noten geben die Unternehmen dem Wirtschaftsstandort Deutschland in vielen zentralen Feldern. Besonders negativ wird die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf einer fünfstufigen Skala von eins für sehr gut bis fünf für mangelhaft beim Thema Bürokratie eingeschätzt: 70 Prozent der Befragten stufen diese als „mangelhaft“ ein, weitere 23 Prozent geben die Note vier – insgesamt ergibt sich eine Durchschnittsnote von 4,6. Ebenfalls überwiegend schlecht bewertet wird die Situation bei den Stromkosten: Hier stufen 48 Prozent die deutsche Wettbewerbsfähigkeit als mangelhaft ein, 34 Prozent verteilen die Note vier – im Schnitt steht eine 4,3.

Unternehmen bewerten Bürokratie und Stromkosten als größte Hindernisse

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Kosten für fossile Energieträger inklusive CO2-Abgaben und Steuern. Hier vergeben 45 Prozent die Note fünf und 31 Prozent die Note vier (Durchschnitt: 4,1). Bei den Arbeitskosten wird als Durchschnittsnote eine 3,9 verteilt, gleiches gilt für das Thema Unternehmensbesteuerung. Mit einer – insgesamt aber recht schwachen – Durchschnittsnote von 3,1 wird die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Forschung und Innovation am besten bewertet, es folgen die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen (3,2), das Fachkräfteangebot (3,5), die Verkehrsinfrastruktur und die Gründungsfreundlichkeit (beide 3,6). Bei der digitalen Infrastruktur steht die Durchschnittsnote 3,7.

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Bei der Frage, welchen wirtschaftspolitisch relevanten Themen sich eine neue Bundesregierung vorrangig widmen sollte, ist der Abbau von Bürokratie und Regulatorik absoluter Spitzenreiter; 92 Prozent der Teilnehmer nennen diesen Punkt. Es folgen die ineinandergreifenden Themen „Digitale Infrastruktur verbessern“ (65 Prozent), „Verwaltungsleistungen beschleunigen und digitalisieren“ (63) sowie „Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen“ (60). Jeweils mehr als die Hälfte der Befragten nennt als weitere dringliche Punkte: Entlastung bei der Unternehmensbesteuerung schaffen (56 Prozent), Verkehrsinfrastruktur bedarfsgerecht modernisieren (55), Sozialabgaben begrenzen (53), Staatliche Belastung des Strompreises reduzieren (52) sowie Anreize für Investitionen setzen (50 Prozent). Bei freien Textnennungen findet sich zudem mehrfach die Forderung, dass der Staat stärker auf die Kräfte des Marktes statt auf Subventionen setzen sollte – und Behörden auf das Möglichmachen statt ein Bremsen von Vorhaben.

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Ähnliches zeigt sich auch bei der Frage der Erwartungen an eine neue Bundesregierung. Hier fordern teilnehmende Unternehmensvertreter Mut zu Strukturreformen und dabei auch zu unpopulären Entscheidungen. Radikaler Bürokratieabbau und ein schlankerer und flexiblerer Staat sind oft genannte Schlagworte. Insbesondere der Mittelstand als der Motor der deutschen Wirtschaft müsse zudem stärker unterstützt werden. Planungssicherheit und Verlässlichkeit der Politik sind zwei weitere Kernforderungen. Gleiches gilt für eine Entlastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei Steuern und Abgaben. Genannt wird auch eine Reform der Schuldenbremse, etwa für Infrastruktur-Investitionen. In den Antworten findet sich zudem der Wunsch nach einer im internationalen Vergleich wettbewerbsorientierteren und weniger ideologischen Energiewende, ohne deren Chancen außer Acht zu lassen. Darüber hinaus solle eine neue Bundesregierung versuchen, stärker Optimismus zu verbreiten und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen.

Abbau von Bürokratie und Verbesserung der Infrastruktur als Prioritäten

44 Prozent der teilnehmenden Unternehmen stammen aus dem Bereich Dienstleistungen, 29 Prozent aus der Industrie, 21 Prozent aus dem Handel und sieben Prozent gehören dem Baugewerbe an. Bei der Belegschaftsgröße ordnen sich 45 Prozent der Betriebe der Gruppe der bis zu 19 Beschäftigten zu, 40 Prozent stehen für ein Unternehmen mit 20 bis 249 Beschäftigten, acht Prozent für Personalstärken zwischen 250 bis 999 und sechs Prozent für Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Exakt die Hälfte der Teilnehmer ist nur im Inland aktiv, die andere Hälfte auch im Auslandsgeschäft. Davon betreiben rund 61 Prozent nach eigenen Angaben ein Auslandsgeschäft auch über die EU hinaus mit Drittstaaten.