Minden . Die Themen Kreislaufwirtschaft und Circular Design gewinnen immer mehr Bedeutung in den Unternehmen. Bestenfalls fallen beispielsweise in Produktionsprozessen zukünftig keine Abfallprodukte mehr an, oder wenn doch, werden Antworten auf die Fragen der Weiterverwendung gesucht.

Bei der Suche nach konkreten Lösungen unterstützt InnoZent mit dem von EU und Land NRW geförderten Projekt CE:FIRE die Unternehmen auf vielfältige Art und Weise – sei es durch Beratung, Workshops oder Netzwerktreffen wie in der vergangenen Woche im Technologie- und Wissenszentrum der Follmann Chemie Gruppe in Minden.

Catharina Behl ist Projektmanagerin bei der Wirtschaftsförderung des Kreis Minden-Lübbecke. MMM-Foto: Christian Bendig
Catharina Behl ist Projektmanagerin bei der Wirtschaftsförderung des Kreis Minden-Lübbecke. MMM-Foto: Christian Bendig

Etwas mehr als 70 Teilnehmer aus kleinen, mittelständischen Unternehmen und Konzernen, dem Hochschul- und Forschungssektor sowie Kommunen kamen aus ganz OWL zu der vom Kreis Minden-Lübbecke , InnoZent, Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Herford (wfg), den Industrie- und Handelskammern Ostwestfalen und Lippe und der Effizienz-Agentur NRW sowie Follmann organisierten Veranstaltung. „Das große Interesse unterstreicht die Bedeutung des Themas, das nicht nur aufgrund der Regulatorik zur Nachhaltigkeitsberichterstattung immer drängender wird“, sagte Ulrike Künemann – bei InnoZent verantwortlich für Zirkuläre Wertschöpfung, Digitalisierung und Projektentwicklung-, im Nachgang.

„Viele Unternehmen suchen noch das richtige Ende, an dem sie das Thema bei sich anpacken.“ Ulrike Künemann, InnoZent

Ulrike Künemann freute sich im Namen aller am Netzwerkstreffen beteiligten Organisatoren und Institutionen über das große Interesse. MMM-Foto: Christian Bendig
Ulrike Künemann freute sich im Namen aller am Netzwerkstreffen beteiligten Organisatoren und Institutionen über das große Interesse. MMM-Foto: Christian Bendig

In die Veranstaltung eingebettet waren nach einer einstündigen Werksbesichtigung bei Follmann drei Vorträge. Zunächst berichtete die Nachhaltigkeitsmanagerin der Follmann-Tochter Triflex, Bettina Stolt, über Nachhaligkeit im Gebäudeschutz durch langlebige Abdichtungen. Es folgten Stefan Dierks und Wolfgang Wäntig von der Melitta Gruppe zu den Themen Social Business und Kreislaufwirtschaft im Konsumgüterbereich. Als drittes referierte Dr. Holger von der Emde, Inhaber des Mindener Unternehmens Ornamin, das praktische Alltagshelfer wie Kunststoffgeschirr oder Trinkbecher herstellt.

Follmann-Vorstand Dr. Thomas Damerau führte ebenfalls eine Gruppe des InnoZent-Netzwerktreffens durch das Follmann-Werk. MMM-Foto: Christian Bendig
Follmann-Vorstand Dr. Thomas Damerau führte ebenfalls eine Gruppe des InnoZent-Netzwerktreffens durch das Follmann-Werk. MMM-Foto: Christian Bendig

Die zahlreichen Nachfragen im Anschluss an die jeweiligen Vorträge und die rege Diskussion am Ende der Veranstaltung zeigten unwiderlegbar auf, wie sehr das große Oberthema Kreislaufwirtschaft und die vielen kleinen Unterthemen die Firmenlenker beschäftigt. „Es ist ein riesengroßes Thema. Und viele Unternehmen suchen noch das richtige Ende, an dem sie das Thema bei sich anpacken“, weiß Künemann nicht nur aus dieser Veranstaltung. Von daher sei die große Teilnehmerzahl als Erfolg zu werten.

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Viel diskutiert ist die Berichtspflicht. Für viele Unternehmen sind sie eine Belastung oder werden als solche empfunden. Die Herangehensweise bei Triflex, beziehungsweise Follmann, war eine andere, wie Stolt gleich zu Beginn erläuterte: „Wir haben uns auf den Weg gemacht und an der Regulatorik orientiert.“ Aus der Orientierung heraus erarbeite das Unternehmen gemeinsam mit 80 Mitarbeitern die drei Fokusthemen Kreislauffähigkeit, Umweltverantwortung sowie Gesundheit und Wohlbefinden.

Der große Konferenzraum im Technologie- und Wissenszentrum war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Follmann Chemie
Der große Konferenzraum im Technologie- und Wissenszentrum war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Follmann Chemie

Daraus entstand eine in Form einer Pyramide aufgebaute Nachhaltigkeitsstrategie. Ziele im Bereich der Kreislauffähigkeit sind die Optimierung der Recyclingfähigkeit der Produkte und Lösungen am Ende des Lebenszyklus, Vermeidung von Verschwendung entlang der Wertschöpfungskette, Einsatz alternativer Rohstoffe, Handelswaren und Verpackungen sowie die Entwicklung von ressourceneffizienten Lösungen in der Anwendung der Produkte aus der Follmann Chemie Gruppe.

Kreislaufwirtschaft ist nicht gleich Circular Economy

Circular Economy steht dafür, dass ein Produkt bei der Entwicklung so konzipiert wird, dass erst gar kein Abfall entsteht. In der Kreislaufwirtschaft steht die Frage im Vordergrund, wie anfallende Abfälle wieder verwendet werden können. Und dafür öffnet sich Follmann Ideen von außen und bezieht in einem gemeinsamen Projekt mit der Hochschule Bielefeld Studierende mit ein.

Bettina Stolt und 80 weitere Mitarbeiter erarbeiteten bei Follmann die Nachhaltigkeitsstrategie. MMM-Foto: Christian Bendig
Bettina Stolt und 80 weitere Mitarbeiter erarbeiteten bei Follmann die Nachhaltigkeitsstrategie. MMM-Foto: Christian Bendig

Ziel ist es, gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie das Recycling von Triflex-Material leichter gemacht, die Weiterverwertung gelingen und somit der Kreislauf geschlossen werden kann. In diesem Bereich liegt großes Potential. Schließlich sei der Bausektor für mehr als 50 Prozent der Abfälle, rund 70 Prozent des jährlichen Flächenverbrauchs und global gesehen für 40 Prozent der energiebedingten Emissionen verantwortlich.

„Melitta ist bei Nachhaltigkeit mittendrin statt nur dabei.“ Stefan Dierks

Bei der Melitta-Gruppe hat man für die Geschäftsfelder Kaffee, Kaffeezubereitung und Haushaltsprodukte Zukunftsbilder in den Handlungsfeldern Social Business, Arbeitskultur und regenerative Wertschöpfung definiert. Unter anderem arbeitet die Melitta-Gruppe mit ihrer Haushaltsfolientochter Cofresco an dem Thema Kunststoff der Zukunft.

In diesem sollen künftig so viele Rezyklate wie möglich verarbeitet werden. In Verbindung mit dem Thema Social Business entstand daraus das Projekt „Fair Recycled Plastic“ in indischen Bangalore. Außerdem verfolgt Melitta in Brasilien mit dem Projekt „Back to the roots“ weitere nachhaltige Ziele, berichtete Stefan Dierks, Director Sustainability Strategy.

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Am Standort in Minden etablierte Melitta eine hochkomplexe Absauganlage im industriellen Maßstab, um den bei der Filtertüten-Produktion anfallenden Papierverschnitt im Kreislauf zu halten und für die weitere Produktion zu nutzen. Durch die 150 Meter mal 150 Meter große Anlage erzielt Melitta große Effekte, wie Wolfgang Wäntig, Director Sustainability Service Melitta Europa, berichtete. So werden jährlich 10.000 Tonnen Papierverschnitt wieder in den Produktionszyklus eingebracht, das sind immerhin 30 Prozent der jährlich benötigten Menge Zellstoff.

Wolfgang Wäntig erläuterte den großen Nutzen einer riesigen Absauganlage in der Filtertütenproduktion von Melitta in Minden. MMM-Foto: Christian Bendig
Wolfgang Wäntig erläuterte den großen Nutzen einer riesigen Absauganlage in der Filtertütenproduktion von Melitta in Minden. MMM-Foto: Christian Bendig

Des Weiteren setzt Melitta bei Kaffeevollautomaten auf nachhaltige Verpackungen und verwendet für die Primärverpackung von online bestellten Elektrogeräten bis zu 100 Prozent Kartonagen aus Recyclingmaterial, verzichtet auf farbige Aufdrucke und verarbeitet so gar nicht erst schädliche Farben und Lacke. Auch in der Sekundärverpackung fand Melitta nachhaltige Alternativen: So kommen 30 Prozent Recycling-Stretchfolie beim Umwickeln bei Paletten zum Einsatz. Im Karton selbst, schützt statt Styropor nun Wellpappe die Kaffeevollautomaten.

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Zudem erweiterte Melitta die Reparaturmöglichkeiten für Kaffeemaschinen, bietet nach einer Prüfung Rückläufer aus dem Handel als refurbished Geräte an oder verlängert die Lebensdauer zurückgenommener Kaffeevollautomaten durch weitere Vermietungen.

Und weil man sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 mindestens 33 Prozent Recyclingmaterial in Kaffeemaschinen und 50 Prozent in Vollautomaten zu verbauen, legte man ein eigenes Recycling-Programm für Elektrogeräte auf. „Insgesamt, so Stefan Dierks, sei die Melitta-Gruppe beim Thema „Nachhaltigkeit mittendrin statt nur dabei“.

Kunststoffreste sind bei Ornamin ein wichtiger Werkstoff

Mehrwegverpackungen, beispielsweise der Kaffeebecher To Go, sind nachhaltig. Der Kunststoff-Spezialist Ornamin ebenfalls. Das von Inhaber Dr. Holger von der Emde geführte Familienunternehmen produziert CO2-neutral und verwendet in der Produktion anfallende Kunststoffreste weiter. Laut Firmenhomepage sind mehr als 3 Millionen Ornamin-Mehrwegbecher und mehr als 1 Million Ornamin-Mehrwegschalen im Einsatz.

Infobox: Das sind die kommenden Netzwerktreffen von InnoZent

  • Praxisgespräch: Nachhaltigkeit und Circular Economy in der Elektro(nik)industrie – wie geht die Reise weiter?  (Do, 10.04.2025, 15-17 Uhr, Online-Veranstaltung) -> Zum Programm und Anmeldung
  • Die neuen Wachstumsmärkte in den Schwellenländern – welches (Produkt-) Umdenken ist für deutsche Unternehmen gefragt? (Di, 06.05.2025, 14:30 – 16:30 Uhr, Online-Veranstaltung) -> Zum Programm und Anmeldung