Minden/Bangalore . Kreislaufwirtschaft kann mehr sein als reines Recycling von Plastikabfällen. Das zeigt ein Melitta-Gruppe in den Armenvierteln im indischen Bangalore. Das Unternehmen aus Minden verfolgt eine ehrgeizige Nachhaltigkeitsstrategie, die weit über traditionelle Geschäftsziele hinausgeht.

Mit Initiativen wie „Fair Recycled Plastic“ setzt das Unternehmen auf soziale und ökologische Verantwortung. In der indischen Metropole Bangalore wird Plastikmüll recycelt, um nicht nur die Umwelt zu schonen, sondern auch lokale Gemeinschaften zu unterstützen. Diese Bemühungen schaffen Arbeitsplätze und bieten Bildungschancen, indem sie die Lebensqualität der betroffenen Menschen nachhaltig verbessern.

„Unser Ziel ist der Wandel von der Konsum- zur Sinngesellschaft, in der die Wertschöpfung eines Unternehmens nicht nur an Wachstum und Gewinnmaximierung, sondern auch an sozialen und ökologischen Zielen gemessen wird“, sagt Stefan Dierks, der gemeinsam mit Katharina Roehrig innerhalb der Melitta Gruppe an der Spitze eines ganzen Teams steht, das sich mit Nachhaltigkeitsstrategien beschäftigt und Projekte entwickelt.

Das Rezyklat wird durch eine moderne Anlage gewonnen. Die Halle bietet Raum für Wachstum. Darauf ist das Projekt angelegt. Foto: Melitta Gruppe

Die Nachhaltigkeitsziele umfassen die Verbesserung der Produktnachhaltigkeit, die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und die Förderung sozialer Verantwortung. Am Anfang der 2019 verfassten und auf diesen Säulen fußende Nachhaltigkeitsstrategie stand die Bestandsaufnahme. „Dazu sind gründliche – und manchmal auch schonungslose – Analysen notwendig, um zu verstehen, welche Veränderungen in welchen Themenfeldern notwendig sind“, erläutert Dierks.

Vishuddh Recycle: Melitta und Yunus Social Business Fund kooperieren

Bei einer dieser schonungslosen Analysen identifizierte man die Unmengen von Plastikmüll als Handlungsfeld. Und weil Haushaltsprodukte der Melitta-Tochter Cofresco zu einem großen Teil aus Kunststoff bestehen, möchte das Unternehmen nicht Teil des Problems, sondern der Lösung sein. Melitta und Cofresco schufen daher die Initiative „Fair Recycled Plastic“ und gründeten gemeinsam mit dem nach dem Friedensnobelpreisträger Muhamad Yunus benannten gemeinnützigen Yunus Social Business Fund das Gemeinschaftsunternehmen „Vishuddh Recycle“.

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In der südindischen, mehr als acht Millionen Einwohner zählenden Metropole Bangalore baute Melitta ein Recyclingwerk auf. In Bangalore wird zwar viel Geld in der IT-Branche, dem Maschinenbau sowie der Luftfahrtindustrie verdient. Aber im Schatten des Reichtums leben tausende Familien in Armut, tausende Kinder auf der Straße und kämpfen als Müllsammler ums Überleben. Und die Wirtschaftsmetropole erstickt geradezu an illegalen Müllkippen und die im Plastikmüll enthaltenen Weichmacher landen unweigerlich irgendwann im Trinkwasser, in Flüssen und in den Meeren.

„Unser Ziel ist der Wandel von der Konsum- zur Sinngesellschaft, in der die Wertschöpfung eines Unternehmens nicht nur an Wachstum und Gewinnmaximierung, sondern auch an sozialen und ökologischen Zielen gemessen wird.“ Stefan Dierks

Jährlich sollen etwa 2.000 Tonnen Kunststoffgranulat aus Folienabfällen gewonnen werden. Das durch dieses Recycling gewonnene Granulat wird bei Melitta für die Produktion von Müllbeuteln wiederverwendet. Auf diese Weise schaden weniger sogenannte Weich-Polyethylene Umwelt und Menschen. Generell hat sich Melitta als bis zum Jahr 2030 umzusetzende Vision zum Ziel gesetzt, dass „der ‚Kunststoff der Zukunft‘ aus recycelten und/oder nachhaltigen, erneuerbaren Rohstoffen klima- und ressourcenschonend hergestellt und in den geeigneten Sortimentsbereichen mehrfach verwendbar ist.“ So steht es im Nachhaltigkeitsbericht geschrieben.

Am Ende der Nutzungsdauer solle dieser Kunststoff der Zukunft wiederum recycelt werden oder sich – bei fehlender Entsorgungsstruktur wie in Bangalore – in der Natur rückstandslos biologisch abbauen.

Kurz nach der Gründung der Firma stieg Ashutosh Singh bei Vishuddh Recycle ein. Als Country Manager ist er für die Aktivitäten von Vishuddh und Cofresco in Indien verantwortlich. Foto: Melitta Gruppe

Kurz nach der Gründung übernahm Ashutosh Singh die Verantwortung für das Projekt und ist als Country Manager für die Aktivitäten von Vishuddh und Cofresco in Indien verantwortlich. Er koordiniert die Beschaffung von Rohstoffen, die Produktion, den Export und überwacht die sozialen Aspekte und die von Cofresco in Indien durchgeführten Programme. Ausgebildet in der Erdöl- und Chemiebranche reizte ihn an Fair Recycled Plastic, dass das Projekt einen Beitrag zur Lösung der Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle leistet.

Über die Anfangszeit sagt er mit Stolz: „Obwohl nur vier Tage nach dem ersten Spatenstich der Corona-Lockdown begann, haben wir als Team viele Herausforderungen gemeistert und innerhalb von 18 Monaten unsere ersten Container zu Testzwecken nach Polen geschickt.“ Die vom Recyclingwerk erzielten Gewinnen fließen in die Arbeit von zwei gemeinnützigen Organisationen vor Ort. „Diese kümmern sich um eine bessere gesundheitliche Versorgung und um zusätzliche Bildungsangebote für die Kinder der Müllsammler“, erklärt Oliver Strelecki, Geschäftsführer von Cofresco.

Das Projekt sorgt auch für eine bessere medizinische Versorgung der Menschen in den Armenvierteln. Das ist auch Teil des Social Business. Foto: Melitta Gruppe

Die „Smile Foundation“ kommt mit mobilen Kliniken zu den Menschen in den Armenvierteln und bietet kostenlose medizinische Erstversorgung an. „Hasiru Dala Trust“ arbeitet mit Bildungsaktivitäten wie Gemeindebibliotheken und Workshops mit Kindern auf bessere Schulabschlüsse, mit denen sie in eine bessere Zukunft starten können, hin.

Infobox: Daten und Fakten zu Fair Recycled Plastic

  • Jährlich werden etwa 2.000 Tonnen Kunststoffgranulat aus Folienabfällen gewonnen. Das durch dieses Recycling gewonnene Granulat wird bei Melitta für die Produktion von Müllbeuteln wiederverwendet.
  • Durch die Unterstützung von Fair Recycled Plastic erhalten im Durchschnitt 1.500 Menschen im Monat eine medizinische Versorgung.
  • Durch die Unterstützung von Fair Recycled Plastic haben 300 Kinder die Möglichkeit, eine der Bildungsaktivitäten, wie zwei Bibliotheken, zu nutzen.